Abenteuer mit Bären-GarantieKAMTSCHATKA

Abenteuer mit Bären-Garantie

Abenteuer mit Bären-Garantie

Auf Tour im sibirischen Kamtschatka, dem bärenreichsten Gebiet der Erde. Am Kurilensee leben 1000 Braunbären in einem herrlichen Naturschutzgebiet, das bis vor einigen Jahren noch für Besucher unzugänglich war.

Von Jens Rosbach

D er Taigahimmel ist klar, nur die Spitzen der umliegenden Vulkane sind in weiße Wölkchen getaucht. Die Spätsommersonne lässt den tiefblauen See glitzern. Wir liegen auf Lauer. Die Fotoapparate sind auf Standby, die Teleobjektive geputzt, die Videokameras auf Stative geschraubt. Es kann losgehen.

Tagelang waren wir geflogen, gefahren und gewandert, um in das bärenreichste Gebiet der Erde zu gelangen: zum Kurilensee auf der russischen Halbinsel Kamtschatka. Rund 1000 Braunpetze leben in diesem Naturschutzgebiet. Wir haben spektakuläre Fotos gesehen von großen Rudeln, wir haben abenteuerliche Geschichten gehört von Tieren, die sich bis auf Armeslänge an Menschen heran trauen. Geschichten von Vierbeinern und Zweibeinern, die sich Auge in Auge gegenüberstehen.

Doch nichts tut sich. Nur die Wellen plätschern leise in der Bucht, ein paar Möwen segeln übers Wasser. Windstille. Kein Bär zu sehen.

Jeden Tag kommen Bärenfamilien hier vorbei

Neben uns hockt ein Ranger mit Rauschebart und vielen Goldzähnen. Der Mittfünfziger bietet ein skurriles Bild: Er hat in seinem Schoß ein schweres Jagdgewehr liegen – sitzt aber in Wollsocken da. Seine Stiefel lüften neben ihm in der Sonne. Zuversichtlich grinst er uns an. Er weiß: An diesem Uferabschnitt kommen die großen Allesfresser jeden Tag vorbei.

Nach einer halben Stunde beginnt plötzlich das ganz große Kino: 150 Meter von uns entfernt tauchen am Ufer drei braune Tiere auf - eine Bärenmutter mit zwei Jungen. Sie laufen direkt auf uns zu. Können Sie uns riechen? Werden sie flüchten?

Die Bärenmutter ist selbst noch jung, vielleicht vier Jahre alt. Ein schmales Tier mit schlankem Kopf und runden Kuschelohren. Langsam trotten die drei auf uns zu. In 40 Meter Entfernung legt sich das Muttertier schließlich auf den Bauch und streckt ganz entspannt alle Viere von sich. Die Jungen balgen sich am Strand. Zwischendurch stellen sie sich immer wieder auf die Hinterbeine, um nach zappelnden Fischen Ausschau zu halten.

Die junge Bärin säugt ihre Jungen vor unseren Augen

Wir staunen und schweigen. Nur das Surren der Videorecorder ist zu hören und das Klicken der Kameras. Abenteuer Wildnis – wie auf Bestellung.

Es kommt noch besser. Der Bärin setzt sich hin, die Kleinen stoßen ihre Schnauzen in den Bauch der Mutter. Stoßen und drücken, bis sich die Alte auf den Rücken legt. Nun erleben wir etwas, das selbst einheimische Naturbeobachter nur äußerst selten zu sehen bekommen: Die Jungen krabbeln auf den Bauch der Mutter, pressen ihre Tatzen an die Zitzen und fangen an zu saugen. Milch glänzt in der Sonne, rinnt den Bärenleib hinab und verschwindet im erdfarbenen Fell.                                   

Klick, Klick, Klick. Wir schießen Serienbilder, wir lassen die Videorecorder nonstop laufen. Hauptsache, die Speicherkarten machen nicht schlapp!

Das Kamtschatka-Kino ist noch nicht vorbei: Hinter der Kleinfamilie taucht ein vierter Bär auf. Und zwar mitten im See. Zuerst ist nur ein großer, zotteliger Kopf zu sehen, der sich Richtung Ufer bewegt. Dann schiebt sich ein massiger dunkler Körper aus dem Wasser. Es handelt sich um einen ausgewachsenen Kamtschatka-Braunbären, mehrere hundert Kilo schwer. Meister Petz schüttelt sein Fell, tausende funkelnde Wassertropfen fliegen von ihm weg. Das Raubtier sieht durch das 400-Millimeter-Objektiv gefährlich groß aus. Und gefährlich nah.

In zehn Metern Entfernung zieht die Braunbär-Kleinfamilie vorbei

Schnell nehmen wir die Kameras wieder vom Gesicht, um erleichtert festzustellen: Der Eindruck täuscht. Das Tier kann uns nicht mit seiner Pranke erreichen, zwischen uns liegen einige Dutzend Meter. Der Bär fischt sich einen Lachs und schleppt die blutige Beute im Maul zur Uferböschung. Dann verschwindet der große Braune.
                                                                                                                     
Derweil haben die drei anderen Bären ein Nickerchen gemacht. Träge richten sie sich auf und wittern vorsichtig in unsere Richtung. Schließlich ziehen die Wildtiere ganz dicht, in zehn Meter Entfernung, an uns vorbei. Sie beachten uns überhaupt nicht. Der Ranger wacht, mittlerweile wieder in Stiefeln, mit schussbereitem Gewehr hinter uns. Wir folgen den Tatzen-Spuren am Ufer, bis sie sich im Dickicht verlieren.

Dann geht es zurück. Mit Schlauchbooten jagen wir über den Kurilensee zu unserem Camp. Die Sonne geht langsam unter, unsere orangefarbenen Zelte leuchten im Abendlicht.

Im großen weißen Küchenzelt wartet schon der dampfende Borschtsch auf uns. Wir löffeln die traditionelle Rote Beete Suppe, zwischendurch führen wir auf den Kameradisplays unsere Trophäen vor: die Schnappschüsse von den Tieren. Erst jetzt ist die Anspannung weg, erst jetzt können wir in Ruhe staunen: Taiga-Bären direkt vor unserer Nase.

Reiseweg zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Sechs Tage lang waren wir unterwegs gewesen zu den Wildtieren. Zuerst mit dem Flieger nach Moskau, dann neun Stunden Weiterflug nach Kamtschatka, schließlich mehrere Tage auf einem klapprigen LKW quer über die Halbinsel - erst zur Westküste und dann ins südliche Kamtschatka. Das Allrad-Ungetüm stammte noch aus Sowjetzeiten und hatte einen Bus-Aufbau. Es fuhr uns an verfallenen Fischkombinaten, verrosteten Schiffswracks und ärmlichen Dörfern vorbei. Bis zum Nationalpark Kurilensee. Die letzten zehn Kilometer zur Ranger-Station sind wir gewandert - mit schwerem Gepäck auf dem Rücken, ständig beschützt von bewaffneten Nationalpark-Wächtern.

Endlich angekommen am malerischen See: die große Enttäuschung. Nur   Bärenspuren und Bärenkot. Ab und an ein Tier in weiter Entfernung oder für Sekunden in Campnähe – aber keine Vierbeiner zum Beobachten oder Fotografieren. Wir hatten Pech: Die Tiere pilgern nur zum Wasser, wenn genug Fisch im Kurilensee ist. Doch kurz vor unserer Ankunft hatte die Lachswanderung in den angrenzenden Flüssen nachgelassen. So waren hunderte Bären in die umliegenden Berge verschwunden, um „Nachtisch“ zu futtern: Blaubeeren und schwarze, bittersüße Krähenbeeren. Wir hatten also drei Tage in der bärenreichsten Gegend der Erde gezeltet (geschützt von einem Elektrozaun) und gewartet – ohne genug Vierbeiner zu sehen.

Vulkane, Schwefelseen, Eishöhlen und Thermalquellen

Allerdings hatten die russischen Ranger noch einen Geheimtipp auf Lager. Einige Kilometer vom Camp entfernt liegt die Halbinsel Grassy Point: ein einsames Grasfleckchen mit zwei Holzhütten und einem Hubschrauber-Landeplatz. Hier tummeln sich immer Vierbeiner, hier scheint es immer Fisch zu geben. Eine halbe Stunde Fahrt mit dem Schlauchboot dorthin – und schon konnten wir von einer Anhöhe aus zehn Großtiere sehen. Allerdings nur mit Fernstecher.

Schließlich führten uns die Ranger zu dem Tierrastplatz am Strand, so dass wir endlich auf unsere Kosten kamen: zwei Stunden Bärenfamilie, live und hautnah.

Mit dem Allradungetüm machen wir uns wieder auf den Rückweg. Wir treffen  Fischer, die ihre Netze an der Meeresküste auswerfen. Wir sehen Robben. Wir besteigen Vulkane. Wir bestaunen Schwefelseen. Wir besuchen Eishöhlen. Wir baden in Thermalquellen. Wir kaufen auf dem Fischmarkt Kaviar. Kamtschatka hat dem Besucher unendlich viel zu bieten. Das größte Abenteuer heißt hier aber zweifellos: Campen am Kurilensee - mit Bärengarantie.

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Informationen zu Kamtschatka-Reisen:

Kamtschatka liegt im östlichsten Zipfel Russlands, nördlich von Japan. Die sibirische Halbinsel wird auch als „Land aus Feuer und Eis“ bezeichnet. Vulkane, Geysire, Gletscher und unzählige Flüsse machen es zum einzigartigen Naturparadies. Jedes Jahr ziehen Millionen Lachse vom Pazifik die Flüsse Kamtschatkas hoch, um hier zu laichen: gefundenes Fressen für die ca. 10.000 heimischen Braunbären. Rund tausend von ihnen leben rund um den Kurilensee im südlichen Kamtschatka.

Das Klima im Sommer ist ähnlich wie auf Island: Sonne, Regen und Nebel wechseln sich ständig ab. Der Winter ist lang und kalt, zwischen Ende September und Mai versinkt die Landschaft unter meterdickem Schnee. Beste Reisezeit: Juli und August.
Bis Anfang der 1990er Jahre war Kamtschatka für Ausländer komplett gesperrt, da hier ein Teil der russischen U-Boot-Flotte liegt. Heute gibt es zahlreiche Reiseagenturen, die Trekking-, Rafting-, Angel- oder Skireisen anbieten. Doch viele Touren sind sehr teuer, bieten wenig Service und halten sich nicht an Umweltstandards. Erkundigen Sie sich genau bei Ihrem Reiseveranstalter!

Bewährt: Kamtschatka-Touren - Diamir Erlebnisreisen, Loschwitzer Straße 58,
01309 Dresden, Tel.: ++49-351-312077 - Mail: info@diamir.de
Internet: http://diamir.ch/index.php?location=reise&id=574 

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Foto und Text: Jens Rosbach
Mail: jetzt@habmalnefrage.de

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