09.08.2023 13:11:56
TADSCHIKISTAN
Von Hans-Joachim Hoppe
Die Menschenrechtlerin Oinichol Bobonasarova kandidiert in Tadschikistan für das Präsidentenamt. Foto: Radio Ozodi (RFE/RL). |
inichol Bobonasarova (sprich Bobo-Nasarova), 65 Jahre, war am Ende der Sowjetära Mitbegründerin der Nationalen Rettungsfonds und später der Demokratischen Partei Tadschikistans. 1993 wurde sie kurz vor dem Bürgerkrieg wegen „Staatsgefährdung“ verhaftet, jedoch schon bald von Präsident Rahmon begnadigt. Sie ist die erste weibliche Dekanin der Juristischen Fakultät der Universität in Duschanbe. Ihr Ehemann Junaid Ibodov ist ebenfalls ein bekannter tadschikischer Jurist. Von den USA und vielen anderen Ländern, ja sogar von Russland, damals unter Präsident Boris Jelzin, wurde ihr Asyl angeboten, doch sie harrte in ihrem Lande aus und wirkte über ein Jahrzehnt als Mitarbeiterin der OSZE-Vertretung für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und mehr Freiheiten. Unterstützt von der Open-Society-Stiftung des Milliardärs George Soros gründete sie 2007 die Stiftung „Perspektive+“, deren Name zugleich ihr Programm für Tadschikistan ist.
Oinichol Bobonasarova ist eine außergewöhnliche moralische Autorität, ja fast eine Heilige, die für das Regime des Präsidenten Emomali Rahmon (früher russifiziert Rahmonov) fast unantastbar ist. Sie kann als Präsidentschaftskandidatin den autoritär regierenden Präsidenten Rahmon möglicherweise nicht besiegen, aber ihm mit einem respektablen Stimmenergebnis ihrer Protestwählerschaft entgegentreten. Präsident Rahmon, der schon seit über einem Jahrzehnt das zerrissene bürgerkriegsgeschüttelte Land autoritär mit dem Versprechen von Stabilität und Wohlstand regiert, will erneut kandidieren. Das Land bräuchte jedoch den Wechsel, der der ausufernden Korruption, organisierter Kriminalität, Menschenrechtsverletzungen und der unglaublichen Bereicherung der Elite ein Ende macht. Wenn dieser auch jetzt noch nicht erfolgt, so bietet Frau Bobnasarova doch eine moralische Alternative und eine neue Perspektive in der Zukunft.
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 6. November schlossen sich auf Initiative der stark verwurzelten Islamischen Partei und der Sozialdemokraten mehrere Parteien und Politiker zum Oppositionsbündnis „Union der Reformkräfte“ zusammen. Dieses Bündnis einigte sich nach langem Gerangel unter den rivalisierenden Spitzenpolitikern auf Frau Bobonasarova. Es kostete schon Überwindung für die vielen ambitionierten Funktionäre, die schon jahrelang auf ihre große Chance gewartet haben, hinter der Außenseiterin Bobonasarova, dazu noch einer Frau, ihre eigenen Wünsche zurückzustellen.
Der autoritär regierende Präsident Tadschikistans, Emomali Rahmon. Foto: Lawrence Jackson. |
Die Kandidatur von Mullahs dagegen hätte erhebliches Misstrauen geweckt und den religiösen Führern politische Absichten unterstellt. Und nun haben Mullahs und andere religiöse Führer die unangenehme Aufgabe, ihre Gefolgsleute und das Volk aufzurufen, eine Kandidatin von außen zu wählen. Zudem müssen verdiente Aktivisten der Sozialdemokraten, voran Parteiführer Rakhmutillo Zoirov (sprich Soirow) und der anderen Gruppierungen ihre eigenen Ambitionen zurückstellen.
Doch alle sagen, Frau Bobonasarova ist die richtige Wahl! Der Führer der Islamischen Partei, Muhiddin Kabiri meint, wir werden wahrscheinlich verlieren, doch wir haben die Chance, mit der Kandidatin eine Botschaft an die Bevölkerung zu senden und Gerüchten und Befürchtungen entgegenzutreten, dass die Partei einen islamischen Staat anstrebe. Die Nominierung von Bobonasarova zeige der Öffentlichkeit in Tadschikistan und im Ausland, dass die Islamische Partei eine gemäßigte, demokratische Partei ist, die ein breites Bündnis von Koservativen bis Liberalen zustande brachte und sich nicht scheut, eine Frau als Präsidentschaftskandidatin aufzustellen. Kabiri selbst ist ein moderner Mann, der nicht in einem Gewand und mit langem Bart, sondern gut rasiert und in einem Anzug westlichen Stils auftritt.
Zudem sei, so hofft man, eine Frau gegen Anfeindungen des Regimes geschützter als Männer. Erfahrungsgemäß geraten männliche Oppositionskandidaten schnell in die Mühlen der Justiz und landen möglichst schon vor dem Wahlkampf hinter Gittern. So wurde im Dezember 2012 der vom Exil aus operierende Führer der oppositionellen „Gruppe 24“, Umarali Quvatov, in Dubai wegen angeblichen Betrugs verhaftet und an die tadschikischen Behörden ausgeliefert. Und im Mai dieses Jahres wurde der Unternehmer und Oppositionsführer Zaid Saidov, Gründer der Partei „Neues Tadschikistan“, ebenfalls wegen Betrugs und angeblicher „Polygamie“ verhaftet. Der Prozess gegen ihn läuft gerade. Das alles ist nichts Besonderes in Tadschikistan: denn Immer wieder werden Aktivisten der Islamischen Partei, der Sozialdemokraten und vielen anderen Gruppierungen unter vorgeschobenen Beschuldigungen schikaniert und festgenommen.
Frau Bobonasarova dagegen sei nicht so leicht zu packen. Sie habe ein sauberes Image, ein internationalen Renommee als Menschenrechtlerin und vor allem: sie habe sich in der Vergangenheit nicht unternehmerisch betätigt.
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