Es gibt einen deutlichen Wandel des InvestitionsklimasRUMÄNIEN

Es gibt einen deutlichen Wandel des Investitionsklimas

Der Reiz im Lande zu investieren, ist ungebrochen. Allerdings sind es längst nicht mehr allein die niedrigen Lohnkosten, die namhafte Firmen aus dem Ausland anlocken. Heute werden vor allem qualifizierte Arbeitskräfte nachgefragt. Außerdem entwickelt sich das Land zu einem Absatzmarkt, in dem Autos, Elektrogeräte und Medien erfolgreich sind.

Von Michael Derrer

A ls ich im Juli 2007 im Auto durch Rumänien fuhr, erlebte ich eine bislang ungekannte Freude. Ein kleines Verkehrsvergehen, von der Straßenpolizei beobachtet, mündete nicht etwa, wie erwartet, in eine mehr oder minder verdeckte Aufforderung, dem Beamten zu helfen, sein schlechtes Einkommen aufzubessern, sondern, quittiert und mit Stempel versehen, in einer Zahlung von 48 Franken an den rumänischen Staat. Der gewissenhafte Polizist erzählte, nicht ohne Stolz, dass er früher anders gehandelt hätte; nun, da Rumänien zur EU gehört, möchte er dem schlechten Image des Landes aber nicht Vorschub leisten, sonst könnte Brüssel von den Schutzklauseln doch noch Gebrauch machen. Dem Beamten konnte ich nur meine Achtung ausdrücken. Zum ersten Mal habe ich mich über eine Verkehrsbuße gefreut.

Wer den Zusammenhang von der Mikro- zur Makroebene herstellt, ist nicht erstaunt, dass Rumänien bei einer vor kurzem bei westlichen Unternehmern durchgeführten Umfrage als attraktivster Investitionsstandort Südosteuropas hervorging und auch besser abschnitt als die Türkei. Im Jahr 2006 wies Rumänien für die Anzahl ausländischer Investitionsprojekte das höchste Wachstum in ganz Europa auf und gelangte nach Polen auf den zweiten Platz für die Gesamthöhe des Zuflusses ausländischer Gelder, vor Tschechien, Ungarn, Bulgarien und der Slowakei. Die Zahl der Handelsregistereinträge von Firmen mit ausländischer Beteiligung ist in den ersten vier Monaten 2007 gegenüber dem Vorjahr um rund 30 Prozent gestiegen.

Manche Unternehmer zieht es schon weiter – nach Moldawien und in die Ukraine

Der Rumänischen Agentur für Ausländische Investitionen zufolge werden sich die ausländischen Direktinvestitionen im laufenden Jahr auf 6,5 bis  sieben Milliarden Euro belaufen. Sie registriert zurzeit 77 ausländische Projekte, die sich noch in der Absichtsphase befinden, mit einem Gesamtvolumen von 2,9 Milliarden Euro. Durch sie könnten über 23.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Zwar wird erwartet, dass Rumänien nach dem EU – Beitritt einen gewissen Rückgang des Interesses ausländischer Investoren verspürt und damit dem Beispiel der mittelosteuropäischen Länder der ersten Erweiterungswelle folgt. Im laufenden Jahr könnte die Höhe der ausländischen Investitionen daher etwa 30 Prozent unter dem Rekordwert von 2006 liegen. Der Preisanstieg bei den Immobilien und steigende Kosten auf dem Arbeitsmarkt werden manche Unternehmer dazu bewegen, weiter nach Osten zu ziehen. Manche Investoren, die in lohnintensiver Verarbeitung produzieren, sehen sich bereits in Moldawien und in der Ukraine um.

Doch auch wenn die Höhe der ausländischen Investitionen in Rumänien in den kommenden Jahren leicht fallen sollte, werden diese vom qualitativen Gesichtspunkt immer bedeutsamer für die Wirtschaft des Landes. Künftig werden sie nicht mehr nur mit Blick auf die Lohnkosten getätigt, sondern orientieren sich auch an anderen Kriterien. Schätzungen über das Investitionsvolumen in Rumänien zwischen 2006 und 2010 belaufen sich auf über 30 Milliarden US-Dollar.

Welche Industrie-Verflechtungen sind dabei, sich herauszubilden?

Die Rumänen haben sich an die ausländischen Investitionen in der Privatisierung von Industrieunternehmen, im Energiebereich, sowie im Finanz- und Bankensektor gewöhnt. Heute geht die Privatisierung ihrem Ende zu. Mit der Verflachung der Zinsdifferenz zwischen der einheimischen Währung und dem Euro verringert sich auch der spekulative Teil der ausländischen Investitionen. In den kommenden Jahren werden hingegen immer mehr Projekte auf grüner Wiese getätigt werden. Der Nutzen, den das Land aus diesen Investitionen ziehen kann, ist größer als im Fall der kurzfristig angelegten Gelder. Das Land muss es schaffen, Kompetenzzentren zu bilden, die Lieferanten von Produkten und Dienstleistungen vernetzen, die sich schlecht verlagern lassen.

Einige erfolgreiche Beispiele:

Der Detailhandel stellt einen der attraktivsten Bereiche für ausländische Investitionen dar. Über 350 neue Supermärkte im Wert von ca. zwei Milliarden Euro sollen bis ins Jahr 2014 eröffnet werden, um die Konsumbedürfnisse der rumänischen Bevölkerung zu stillen. Währenddem dieser Markt in Bukarest bereits einen gewissen Saturierungsgrad erlangt, werden nun die anderen großen Städte des Landes erschlossen.

Der Bauboom führt zu einem Versorgungsengpass bei den Materialien

Investitionen in Immobilien erlangen weiterhin Höchstwerte. In Bukarest ist der Landpreis pro Quadratmeter in der ersten Jahreshälfte 2007 um 27 Prozent gestiegen und hat 1.564 Euro erreicht. Aber auch die Provinz kennt steigende Immobilienpreise. Um dem spekulativen Charakter dieser Investitionen Einhalt zu gebieten, gilt seit anfangs 2007 ein neues Gesetz, das eine zusätzliche Steuer vorsieht, wenn eine Wohnung nach weniger als drei Jahren wiederverkauft wird.

Der Bauboom führt bereits zu einem Versorgungsengpass für Baumaterialien. So ist z.B. die Nachfrage nach Isolationsmaterial aufgrund der Wärmeeffizienzprogramme, aber auch für Zement so groß, dass Warteschlangen für die Belieferung entstehen.

Ausländische Investitionen gelangen auch vermehrt in Nischenmärkte, die der wachsende rumänische Markt bereithält.  So ist der Mediensektor derzeit ein Magnet für ausländische Investoren, die dabei sind, Presseerzeugnisse in der Provinz aufzukaufen. Neue Fernsehkanäle zielen auf die Bedürfnisse immer engerer Zuschauergruppen.

Auch die Geschäftsmöglichkeiten, die durch die Lancierung der obligatorischen privaten Pensionskassen geschaffen werden, lassen ausländische Unternehmen nicht kalt, und es werden Hunderte Millionen Euro erwartet, die in das neue Rentensystem einfließen.

Rumänien bleibt attraktiv für Investitionen

Umsatzsteigerungen von 15 – 20 Prozent in Rumänien stehen solchen von drei bis vier Prozent im Westen gegenüber. Auch die EU - Gelder und die Verpflichtungen im Umweltbereich und bei der Infrastruktur garantieren interessante Jahre für ausländische Investoren. Wenn sich die positiven Tendenzen auf makroökonomischer Ebene, Wirtschaftsreformen, Korruptionsbekämpfung und die Verbesserung des gesetzlichen Rahmens bestätigen, werden sich die Herausforderungen für ausländische Investoren zusehends in „zivilisiertere“ Bereiche verlagern -  so z.B. die auf Suche nach qualifiziertem technischen Personal mit guten Fremdsprachenkenntnissen. Diese Personen können bereits heute ihren Arbeitgeber aus den bekanntesten westlichen Großfirmen auswählen.

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Michael Derrer ist Schweizer Ökonom und Inhaber der Ascent Swiss Business Management AG. Er spricht mehrere osteuropäische Sprachen, darunter Rumänisch. Derrer lebt und arbeitet je zur Hälfte in Osteuropa und der Schweiz. Seine Management AG verfügt über Büros in Bukarest, Cluj und im moldawischen Chisinau.

E-Post: m.derrer@ascent-ag.ch
Netz: www.ascent-ag.ch

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