09.08.2023 13:11:56
Von Hans Wagner
Eurasiens Götter sind die erfolgreichsten aller Zeiten. Ihre Lehren haben die Welt erobert. Die fünf großen Weltreligionen kommen alle aus Eurasien. 90 Prozent der religiösen Weltbevölkerung gehören ihnen heute an. Doch die Götter haben Eurasien heimgesucht, den Kontinent immer wieder in haßerfüllte Glaubenskriege gestürzt und ihn geistig, kulturell und politisch zerrissen.
Von Hans Wagner
„Die fünf großen Religionen scheiden sich in zwei Gruppen: in solche, die östlich und solche die westlich vom Hindukusch entstanden sind“, schreibt Helmuth von Glasenapp, einer der bedeutendsten Religionsforscher Deutschlands, in seinem Standardwerk „Die fünf Weltreligionen“.
Er teilt sie ein in die „Religionen des ewigen Weltgesetzes“, die sich östlich des Hindukusch entwickelt haben und in solche der „geschichtlichen Gottesoffenbarung“, die westlich des Gebirgszugs entstanden sind.
Die östlichen Religionen sind der Hinduismus, der Buddhismus und der chinesische Universismus (Taoismus und Konfuzianismus). In ihnen ist die Welt ewig, ohne Anfang und ohne Ende. Sie erneuert sich unaufhörlich.
Die westlichen Weltreligionen sind das Christentum und der Islam. Sie sehen beide den Kosmos und seine Bewohner nur durch das Wirken eines unendlich überlegenen persönlichen Gottes ermöglicht, der alles aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat. Und der es dann, wenn die Zeit sich erfüllt hat, wieder untergehen lassen wird.
Mitten durch den eurasischen Kontinent, im Gebiet des heutigen Afghanistan, wo die Gebirgsmassive des Hindukusch liegen, zieht sich die Religionsscheide.
Die aggressiven, erobernden Religionen finden sich ausschließlich im Westteil Eurasiens. Die Religionen des Ostens scharen ihre Anhänger weitgehend friedlich um sich und verzichten im Großen und Ganzen auf Missionierung – mit oder ohne Gewalt.
Sowohl im Christentum als auch im Islam gibt es dagegen den Missionsauftrag. Bekannt sind das moslemische Gebot, den Glauben notfalls mit Feuer und Schwert auszubreiten, auch wenn dies im Koran nicht ausdrücklich gefordert wird, und der christliche Missionsauftrag des „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Er geht zurück auf den Evangelisten Markus im Neuen Testament der Bibel, Kapitel 16, Vers15.
Die Entstehungsgeschichte der fünf Weltreligionen liegt zeitlich verhältnismäßig nahe beieinander. Zwar hatten sie alle ältere Überlieferungen als Vorläufer, aber zu religiösen Gemeinschaften mit verbindlichen Lehren entstanden vier von ihnen binnen weniger Jahrhunderte.
Der Hinduismus mit seiner Lehre vom Karma entwickelte sich in Indien, etwa im 8. vorchristlichen Jahrhundert. Zwei Jahrhunderte später etablierte sich ebenfalls in Indien die Lehre Buddhas. Seine Zeitgenossen Laotse und Konfuzius prägten parallel dazu in China den chinesischen Universismus. Aus dem Judentum heraus entwickelte sich die christliche Religion, die sich zunächst im römischen Reich und später in der ganzen Welt verbreitete. Sie beruft sich auf die Geburt des Jesus von Nazareth im Jahre Null, womit gleichzeitig die neue abendländische Zeitrechnung markiert ist.
Rund 600 Jahre später entstand durch den Propheten Mohammed im arabischen Raum der Islam. Er ist seither in Eurasien der Gegenspieler des Christentums. In blutigen Kriegen hat die christliche Kirche den Islam immer wieder zurückgedrängt und bis auf den heutigen Tag besteht die Feindschaft zwischen den beiden Religionen der Gottesoffenbarung fort.Wer sich mit Eurasien befaßt, stößt unweigerlich auf die blutigsten Religionskriege der Weltgeschichte. Sie alle haben sich hier abgespielt oder wurden als Eroberungskriege der christlichen Kolonisten auf fremde Erdteile getragen. Ihre Wurzeln, ihre Ursprünge liegen in Eurasien.
Schon relativ kurz nach der Gründung des Islam griffen moslemische Araberheere das christliche Karolingerreich an. An den Pyrenäen schlug im 8. Jahrhundert Karl Martell die anstürmenden Moslems zurück.
Karl der Große ließ in einem Jahrzehnte dauernden Kampf die Sachsen gewaltsam christianisieren und ihre Eliten im Blut ertränken, bis sie sich schließlich taufen ließen. Zwischen 1096 und 1270 führten fast 200 Jahre lang die mittelalterlichen Ritter des christlichen Abendlandes blutige Kreuzzüge um das „Heilige Land“. Das Wüten der Glaubenskrieger ist im Orient bis auf den heutigen Tag unvergessen. Bis nach Konstantinopel zogen die Kreuzritter, plünderten die stolze Stadt und brannten sie zu einem Viertel nieder.
In den Türkenkriegen erwies sich der Feldherr des österreichischen Kaiserreiches Prinz Eugen von Savojen als Retter des Abendlandes. Nach vielen Schlachten gegen die Osmanen bezwang er im Sommer 1718 das moslemische Heer des damaligen türkischen Großwesirs und eroberte Belgrad, zu dieser Zeit eine islamische Hochburg.
Im hohen Mittelalter kämpften in ganz Mitteleuropa Christen gegen Christen um die vermeintlich wahre Lehre. Vorausgegangen waren Bauernkriege, Reformation und Gegenreformation. Als der dreißigjährige Glaubenskrieg 1648 beendet war, lagen die Lande zwischen Böhmen und dem Atlantik in Schutt und Asche, waren großteils entvölkert und von marodierenden Banden beherrscht.
Und in unserem modernen „aufgeklärten“ Zeitalter bekämpfen sich noch immer christliche Katholiken und christliche Protestanden in Nordirland bis aufs Blut, meucheln sich Moslems und orthodoxe Katholiken auf dem Balkan, kämpfen tschetschenische islamistische Gotteskrieger gegen die Zugehörigkeit zum christlich-orthodoxen Rußland.
Gegen religiösen Fanatismus sind rationale Argumente machtlos. Es lassen sich keine Vernunftgründe finden, einen Religionskrieg zu führen, es gibt aber auch keine Argumente der Vernunft, die ihn verhindern könnten. Der Islam kennt den heiligen Krieg, das christliche Amerika den gerechten Krieg. Im Zweifel läuft es auf dasselbe hinaus und ausgetragen werden die Kämpfe fast immer auf eurasischem Territorium.
Der Hinduismus ist keine monotheistische Lehre mit einem einzigen Gott. Man kennt verschiedene Götter, denen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Viele verehren Vishnu, den Gott der Güte, der manchmal als Mensch, manchmal als Tier auf die Erde kommt, um Unglück zu verhindern.
Eine weitere hinduistische Gottheit ist Shiva, der auch als „Zerstörer“ bezeichnet wird. Er zerbricht das Alte, damit sich die Welt erneuern kann. Die Kraft dazu erhält er von Shakti, der Göttin der Ur-Energie.
Die ältesten religiösen Schriften des Hinduismus sind die Veden, die vor etwa dreieinhalb Jahrtausenden entstanden sind. Im heutigen Hinduismus zählen die Lehren der „Upanishaden“ zu den wichtigsten heiligen Schriften. Das Wort bedeutet „Sitze zu Füßen deines Lehrers“. Die Lehrer geben darin den Menschen das Wissen über den Kreislauf von Leben und Tod weiter.
Die bekannteste heilige Schrift der Hindus ist die Bhagavadgita, der „Gesang des Erhabenen". Sie ist besonders beliebt bei Kindern, denn sie erzählt wunderbare Geschichten über den Helden Arjuna und seine Begegnungen mit dem Gott Krischna.
Im religiösen Alltag der Hindus spielen solche Geschichten göttlicher Helden eine große Rolle. Sie werden auf religiösen Festen vorgelesen, und es gibt sie sogar als Comics.
Die Ordnung der Welt wird für Hindus durch das Dharma bestimmt, das Weltgesetz, das gültig ist für den gesamten Kosmos, die Natur, für Gesellschaft, Moral, Sitte und Religion.
Das Karma wiederum entscheidet darüber, in welche Kaste ein Hindu hineingeboren wird. Es enthält einem Konto ähnlich die guten oder schlechten Taten aus seinem früheren Leben. Ein gutes Karma bewirkt, daß seine Seele in einem besseren Leben wiedergeboren wird. Sie kehrt nach dem Tod in einem anderen Lebewesen zurück zur Erde. Wer einen guten Lebenswandel geführt hat, kann nach den Lehren der „Upanishaden“ zum Beispiel als ein Brahmane, Krieger oder Vaishya (Bauer, Händler) wiedergeboren werden. Wer dagegen einem unwürdigen Lebenswandel nachgeht, kann das nächste Mal als Hund oder Schwein auf die Welt kommen.
Die Kasten gliedern sich (von oben nach unten) in Brahmanen (Priester), Kshatriyas (Krieger, Adel), Vaishyas (Bauern, Händler), Shudras (Handwerker, Diener) und Parias (Kastenlose, Unberührbare), die allenfalls mit niedrigen Verrichtungen wie Kanalreinigung und Straßenfegen betraut werden.
Die vier großen Kasten sind noch einmal in 3000 kleinere Unterkasten aufgeteilt, die Jati. In eine Kaste wird man hineingeboren. Man lebt und kommuniziert weitgehend allein mit den Mitgliedern der Kaste, zu der man gehört. Ziel ist stets das Aufsteigen in eine höhere Kaste.
Geburt, Tod und Wiedergeburt bilden nach hinduistischem Glauben den ewigen Kreislauf Samsara. Da die Wiedergeburt auch als Tier möglich ist, gilt die Schonung alles Lebendigen als höchstes Gebot. Eine besondere Verehrung erfahren die Rinder („Heilige Kühe“).
Dieser endlosen Kette der Wiedergeburten zu entrinnen, also irgendwann nicht mehr wiedergeboren zu werden, ist im Hinduismus Ziel der Erlösung. Die Vorstellungen vom Zustand, in den der Erlöste eingeht, sind ebenso vielfältig wie die Wege, die zur Erlösung führen. Als Wege zur Erlösung werden Askese und Joga ebenso gelehrt wie Gottesliebe. Erlösung wird schrittweise im Verlauf zahlreicher Wiedergeburten erreicht.
Dem Hinduismus gehören heute etwa 850 Millionen Gläubige an, die zu über 70 Prozent in Indien leben. Insgesamt ist der Hinduismus in 84 Ländern verbreitet, u.a. auch in China, Thailand und Indonesien.
Der Buddhismus ist als Reformbewegung aus der älteren hinduistischen Religion (dem Brahmanismus) hervorgegangen. Sein Begründer war der indische Prinz Siddharta Gautama. Er lebte etwa zwischen 560 und 480 v. Chr. und kam aus dem nepalesischen Vorgebirge des Himalaja.
Obwohl es ihm sehr gut ging, hatte er nach der Überlieferung das Gefühl, daß in seinem Leben etwas Entscheidendes fehle. Im Alter von 29 Jahren verließ er seine Paläste und ging auf Reisen. Die Legende erzählt, daß er dabei entdeckte, wie sehr die Menschen unter Krankheiten, Alter und Tod litten. Das habe in so erschüttert, wird in seiner Biographie berichtet, daß er sich entschloß herauszufinden, wie das Leiden der Menschen entstehe und wie sie es beenden könnten.
Er wurde brahmanischer Mönch.
Nach vielen Jahren, die er mit Fasten und Nachdenken verbracht hatte, fand er die Antworten auf seine Fragen. Er nannte sie die „vier edlen Wahrheiten“. Damit zog er von den nepalesischen Bergen durch weite Bereiche Indiens und gab sein Wissen an andere weiter. Das erste öffentliche Auftreten Buddhas war seine berühmte Predigt vor fünf Asketen. Mit ihr begann nicht nur die Ausbreitung seiner Lehre, sondern zugleich die Begründung der Ordensgemeinschaft buddhistischer Mönche. Denn nach der Predigt erteilte Buddha den Asketen die erbetene Mönchsweihe.
Viele folgten ihm und nannten ihn Buddha, den „Erleuchteten“.
Im Buddhismus gibt es eine Reihe heiliger Bücher. Das älteste ist die Tripitaka, der „Dreikorb“. Diese Schrift beschreibt das Leben Buddhas, überliefert seine Lehre und enthält die Regeln für das Klosterleben.
Im Buddhismus gibt es keinen Gott. Jeder Mensch kann sich selbst erlösen, wenn er der Weisheit Buddhas folgt. Im Mittelpunkt der Predigten Buddhas stehen die vier edlen Wahrheiten. Sie lauten:
Der achtfache Pfad soll dem Menschen helfen, sich von der Gier nach unnützen Dingen zu befreien. Gelingt ihm dies nicht, wird er nach seinem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren. Buddhisten glauben, wenn ein Lebewesen noch unerfüllte Wünsche hat, kann die Seele nicht zur Ruhe kommen.
Nur wer keine Wünsche mehr hat, kann das Glück finden und wird erleuchtet. Erst dann sind die Gedanken frei für das Mitgefühl für andere Menschen, Tiere und Pflanzen. Das ist für die Buddhisten die Voraussetzung, um das Nirwana zu erreichen.
Das Nirwana ist das höchste Ziel, denn es ist die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Wer es erreicht, muß nicht mehr wiedergeboren werden und folglich nicht mehr leiden. Diese Erlösung gilt im Buddhismus als des Menschen höchstpersönliche Angelegenheit, die ohne einen Erlöser zu erreichen ist.
Der Buddhismus war bis Anfang des 20. Jahrhundert außerhalb Asiens noch kaum bekannt. Heute ist er eine Weltreligion der rund 700 Millionen Menschen angehören. Die meisten leben in Sri Lanka, Birma, Thailand, Japan, Korea und China.
Die Religion geht auf Jesus Christus von Nazareth zurück, der vor ungefähr 2000 Jahren, in Galiläa, einem Teil Palästinas geboren wurde. Seine Familie war jüdischen Glaubens.
Mit ungefähr 30 Jahren begann Jesus als Prediger durchs Land zu ziehen. Damals gab es viele Wanderprediger, die die Menschen zur unbedingten Einhaltung der Gebote Gottes ermahnten. Wer dagegen verstoße werde von Gott gezüchtigt. Laut alttestamentarischer Überlieferung hatte der jüdische Führer Moses, der die Israeliten aus ägyptischer Gefangenschaft befreite, diese Gebote von Gott Jahwe auf dem Berg Sinai empfangen.
Jesus war weniger streng als die meisten der anderen Wanderprediger. Er verkündete: Auch wenn die Menschen die Gebote nicht immer einhalten, liebt Gott sie wie seine Kinder. Der Mann aus Nazareth verkündete ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit. Jesus kümmerte sich vor allem um die Leute, die wenig angesehen waren, wie Arme, Kranke, Gesetzesbrecher, Dirnen. Er hielt sich selbst für den von verschiedenen alttestamentarischen Propheten angekündigten Messias, den Erlöser des jüdischen Volkes. Viele glaubten ihm, andere hielten ihn aber für einen gefährlichen Spinner.
Er wurde schließlich als Aufrührer festgenommen und zum Tod am Kreuz verurteilt. Nach Tod, Auferstehung am dritten Tag und Himmelfahrt, wie die Glaubensgeschichte des Neuen Testaments erzählt, wurde Jesus Christus als Sohn Gottes dargestellt und zur zentralen Figur der nach ihm benannten christlichen Religion.
Das Christentum unterscheidet sich von allen anderen großen Religionen dadurch, daß es seinen Stifter Jesus Christus in viel stärkerem Maße als diese in den Mittelpunkt der gesamten Lehre stellt. Jesus Christus ist für die christliche Kirche nicht der Urheber oder Wiederentdecker metaphysischer und ethischer Lehren, wie Buddha und Konfuzius, nicht der Gesandte eines sich ihm offenbarenden Gottes, wie Mohammed, nicht eine der vielen Inkarnationen des Weltherrn, wie Krishna, sondern er ist Gottes „eingeborener Sohn“ und damit Gott selbst. Ein durch „unbefleckte Empfängnis“ von der Jungfrau Maria als Mensch zur Welt gebrachter Gott, der für die Erlösung der gesamten Menschheit am Kreuz gestorben ist. Das Christentum ist damit die Religion mit dem umfassendsten Anspruch. Sie tritt auf als Erlösungsreligion für alle Menschen auf dem Erdball.
In der ersten Zeit ihrer Entwicklung galten die christlichen Gemeinden im damaligen römischen Reich, in dem sie sich ausbreiteten, zunächst als jüdische Sekten. Erst später wurden sie als eine sich auf Jesus von Nazareth beziehende neue Glaubensgemeinschaft anerkannt.
Die Zahl der Anhänger wuchs rasch. Da der römische Staat sie aber bald als Umstürzler ansah, wurden die Christen jahrhundertelang verfolgt. Erst Kaiser Konstantin der Große stellte 311 die Christenverfolgung ein. Zunächst wurde das Christentum den alten römischen Kulten gleichgestellt, dann sogar zur Staatsreligion erhoben. Jeder Bürger des Imperiums hatte den christlichen Glauben anzunehmen, das Heidentum und die alten orientalischen Nationalkirchen wurden fortan unterdrückt. Der Pakt mit der Macht hat die sich entwickelnde christliche Kirche von Anfang an geprägt.
Auch in Staaten außerhalb des Imperium Romanum wurde sie als machtbildend und machtstabilisierend entdeckt. Von Karl dem Großen in seinem Karolingerreich und auch in den slawischen Ländern des Ostens. Könige und Kaiser ließen sich taufen. und bedienten sich des Einflusses der Kirche auf ihre Völker. Die Kirche lehrte Gehorsam gegen die Obrigkeit. Die Herrschenden schützten dafür die Kirche und erhielten dafür aus den Händen der Bischöfe Krone und Segen. Der Papst in Rom vergab im Abendland die Kaiserwürde und erschien als Herr der Welt. Kaiser, Könige und Fürsten überhäuften Klöster und Kirchen mit Ländereien und Reichtümern. Viele Regenten und selbst der Kaiser wurden abhängig von der Macht der christlichen Kirche.
Mit dem Mönch Martin Luther aus dem thüringischen Eisleben ging diese Epoche zu Ende. Luther, der Protestant gegen Übermacht und Anmaßung der katholischen Kirche, predigte von der „Freiheit eines Christenmenschen“, der weder zur Leibeigenschaft noch zur Unterwerfung unter die Allmacht von Kirchenvätern geboren sei. Er schlug 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg, in denen er die wahre christliche Lehre verteidigte, gegen „Pfaffenwillkür“ und „Gottesfrevler“.
Wieder nützten weltliche Herrscher die Chance mit einer eigenen Kirche ihre Macht zu entfalten. Sie wurden lutherisch bzw. protestantisch: fielen ab von der römisch-katholischen Lehre. Und mit ihnen wurden die Untertanen zwangsweise ebenfalls lutherisch. In England kam es zur Entstehung der anglikanischen Kirche durch Heinrich VIII., einer besonderen Spielart des Protestantismus.
Die Reformation, die sich nach Luthers Thesenanschlag ausbreitete, löste dann in den folgenden Jahrzehnten die sogenannte Gegenreformation des Katholizismus aus. Ihren Höhepunkt erlebte diese militante Rekatholisierung im Dreißigjährigen Krieg. Nach drei Jahrzehnten blutiger Kämpfe zwischen protestantischen und katholischen Heeren wurde im Westfälischen Frieden von 1648 vereinbart, daß beide christlichen Kofessionen gleichberechtigt im Deutschen Reich und in den europäischen Ländern existieren konnten.
Die Heilige Schrift des Christentums ist die Bibel. Sie enthält ein Altes Testament und ein Neues Testament. Das Alte Testament ist die Bibel des Judentums, aus der das Christentum hervorgegangen ist. Das Neue Testament, das rund hundert Jahre nach dem Tod des Jesus von Nazareth entstand, behandelt in den vier sogenannten Evangelien das Leben und die Lehren des Religionsstifters Christus. Evangelium heißt „Frohe Botschaft“. Die Evangelien wurden verfaßt von den als Evangelisten bezeichneten Autoren Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.
Eine wichtige Rolle spielt im christlichen Glauben die sogenannte Dreifaltigkeit. Der eine Gott, an den die Christen glauben, soll gleichzeitig Gott Vater, Gottes Sohn und einen Heiligen Geist in sich vereinen. Gottvater hat demnach die Welt erschaffen, als Sohn die Sünden der Menschheit auf sich genommen und sie erlöst. Als Heiliger Geist wohnt er in allen Lebewesen und Dingen.
Die von Moses empfangenen zehn Gebote sind die christlichen Lebensregeln. Sie gelten im übrigen auch für den Islam und das Judentum. Gebot Nummer eins: „Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ (Bibel, 5. Buch Mose, Kap. 5).
Die Christen glauben an ein Leben nach dem Tod, das sich im „himmlischen Paradies“ abspielen soll, wo Milch und Honig fließen. Dafür wird, so die Lehre, der Leib am „jüngsten Tage“ wieder auferstehen wie der von Jesus Christus. Wer allerdings als Sünder gelebt hat und nicht bereut, wird in die Hölle verbannt und dem ewigen Fegefeuer ausgeliefert.
Der Gegenspieler von Christus wird Satan oder Teufel genannt. Er verleitet nach christlicher Lehre die Menschen zur Sünde und ist der Herr im Reich des Bösen.
Das Christentum wurde im 11. Jahrhundert unterteilt in die westliche (römisch-) katholische Kirche mit dem Papst als Oberhaupt und die östliche (griechisch-) orthodoxe Kirche, in der der Patriarch von Konstantinopel (heute Istanbul) herrschte. Diese Trennung erfolgte 1054 im sogenannten Morgenländischen Großen Schisma. Aus der katholischen Kirche spaltete sich im 16. Jahrhundert durch die Reformation Martin Luthers die protestantische Kirche ab. Diese untergliedert sich weltweit in verschiedene Strömungen, namentlich die Lutheraner, die Calvinisten (Reformierte Kirchen), die Baptisten und die anglikanische Kirche.
Das Christentum ist die am weitesten verbreitete Religion auf der Welt. Die Zahl ihrer Anhänger wird auf etwa zwei Milliarden geschätzt. Sie leben hauptsächlich in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent.
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In der nächsten Ausgabe des Eurasischen Magazins (EM 06/02) lesen Sie:
4. Der Islam
5 . Der chinesische Universismus
Dazu außerdem eine Literaturauswahl zum Thema „Eurasien – Kontinent der Religionen“ mit Standardwerken und Neuerscheinungen
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