Plattform  für SeparatistenABCHASIEN

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Moskau bittet den UN-Sicherheitsrat um Anhörung der Abchasen - ihre international nicht anerkannte Republik ist weniger ein von georgischer Unterdrückung befreites Land als eine rechtsfreie Zone für Schmierengeschäfte und Aggressionen aller Art.

Von Andrea Jeska

Suchumi-Soldaten vor dem zerstörten Parlament  
Suchumi-Soldaten vor dem zerstörten Parlament
(Foto: Andrea Jeska)
 

K leinstrepubliken, die mit dem politisch korrekten Terminus als „separatistische Republiken“ bezeichnet werden, gibt es derzeit auf der Welt so viele, dass man sie kaum aufzählen kann. Auch das nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft völkerrechtlich noch immer zu Georgien gehörende, also international nicht anerkannte Abchasien am Schwarzen Meer ist so eine Republik. Arm, wirtschaftlich und politisch isoliert. Viele Einwohner leben aus Mangel an Alternativen von Korruption, Waffenhandel, Drogengeschäften und Menschenhandel. Abchasien ist weniger ein von georgischer Unterdrückung befreites Land als eine rechtsfreie Zone für Schmierengeschäfte und Aggressionen aller Art.

Nun hat Moskau, Beschützer und Benutzer des abchasischen Wunsches nach Selbstbestimmung, den Sicherheitsrat der UN gebeten, Vertretern Abchasiens Gehör zu schenken und dem Land damit eine offizielle Plattform für seine Position zu verschaffen. Geäußert wurde dieses Anliegen nach einer Sitzung des Sicherheitsrates am 11. Juli. Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Mikhail Kamynin, wehrte sich damit gegen Anschuldigungen der georgischen Parlamentssprecherin Nino Burdschanadse, Russland unterstütze Unruhen in Abchasien.

Wo beginnt die abchasische Position – wo hört die russische auf?  

Abchasien, das bis zum Ende der Sowjetzeit mehrheitlich von Georgiern bewohnt war, sagte sich 1992 von Georgien los, es folgte ein zweijähriger Bürgerkrieg, den die Abchasen mit Hilfe russischer Truppen gewannen. Auch tschetschenische Freischärler kämpften damals auf der Seite der Abchasen gegen Georgien. Lange lag das einstige „Paradies am Schwarzen Meer“ danach  in Trümmern und erhob sich erst zur Feier seiner „Zehnjährigen Unabhängigkeit“ aus diesen. Die Hotels der Hauptstadt Suchumi, zu Sowjetzeiten als die weiße Stadt bekannt und beliebter Ferienort der Russen und Georgier, erhielten wieder ihren weißen Anstrich. Die  Promenade am Meer wurde instand gesetzt, und in der Fußgängerzone eröffneten erste Cafés. Das Land gewann einstiges Flair zurück, bis einige Monate später ein absurder Präsidentenwahlkampf Tote forderte und Russland seinen Druck auf Abchasien erhöhte.

Die Idee, im Sicherheitsrat die abchasische Position zu hören, klingt gut und idealistisch. Wäre sie nicht von Moskau gekommen und ergäbe sich darum nicht die Frage, wo die abchasische Position beginnt und die russische aufhört. Längst nämlich haben über die Hälfte aller Abchasen einen russischen Pass, um so der Ächtung und der Armut zu entfliehen, reisen, mit Russland Handel treiben zu können. Es sind russische Investoren, die an Abchasiens Küste wieder Hotels und Ressorts bauen und es waren in all den Jahren ausschließlich russische Blauhelmsoldaten, die den wackligen Frieden von Abchasien verteidigten.

Der russische Vorstoß könnte eine Chance sein

Und dennoch könnte der russische Vorstoß in den Vereinten Nationen eine Chance sein, endlich Vorgaben der Völkergemeinschaft zu durchbrechen, die unweigerlich in eine Sackgasse führen. Dort, wo das völkerrechtliche Prinzip der Unverletzbarkeit des Territoriums, wie im Falle Georgien-Abchasien, über das ebenfalls völkerrechtlich festgelegte Prinzip der Selbstbestimmung eines Volkes gestellt wird, ist Bewegung kaum möglich. Zurück ins georgische Heim, das kommt für die meisten Abchasen nicht in Frage, lieber haben sie die Jahre des Hungers und der Verzweiflung ertragen und die Scharmützel im Grenzgebiet zwischen dem georgischen Zchkinwali und dem abchasischen Gali. Tote hat es dort zuhauf gegeben, aber klüger ist dadurch keines der beiden Völker geworden.

Geblieben ist die Angst vor einem neuen Krieg mit Georgien. Androhungen eines solchen hat es Dutzende gegeben, vor allem seit der junge Präsident Mikhail Saakaschwili den bulligen Eduard Schewardnadse ablöste. Mit Saakaschwili ist ein überkommen geglaubter georgischer Nationalismus wieder hoffähig geworden, der den kleinen Völkern der Region Angst macht. Mit Hilfe der Amerikaner haben die Georgier ihre militärische Kompetenz und Schlagfähigkeit erhöht, ihre Rüstungsausgaben um 150 Prozent im Jahr gesteigert – es wundert also nicht, dass den Abchasen da bange ist.

Eine kühne Vision

Diskussionen über unterdrückte Völker der Erde im Sicherheitsrat – das ist eine kühne Vision. In Wirklichkeit wird wohl nicht einmal Abchasien angehört werden, weil niemand die Konsequenzen eines solchen Schrittes tragen will. Ob und in wie fern sich am Status der Republik etwas verändern lässt, ist dabei vielleicht das geringere Problem. Weitaus schwieriger wird es, wenn dann zum Beispiel Tschetschenien eine ähnliche Behandlung fordert. Russlands Präsident Putin wäre der erste, der sich dagegen stellen würde und das ad absurdum führen würde, was er im Falle Abchasiens fordert. Zudem müsste im Vorfeld solcher Aktionen geklärt werden, wo der Unterschied zwischen Freiheitskampf und Terrorismus ist und welche Republik in welche Kategorie fällt. Und überhaupt müsste es ein überzeugendes Interesse daran geben, Freiheit und Selbstbestimmung als Völkerprinzip zu verwirklichen. Der UN-Sicherheitsrat dürfte dafür kaum die richtige Plattform sein.  

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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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