Putin Rede über Weltpolitik, Nato, Ukraine, Terrorismus und Eurasische UnionRUSSLAND

Wie Putin die Welt sieht

Putin Rede über Weltpolitik, Nato, Ukraine, Terrorismus und Eurasische Union

Der russische Präsident Wladimir Putin hielt im Juli 2016 eine Grundsatzrede vor den Botschaftern und Diplomaten der Russländischen Föderation in aller Welt. In dieser Rede gibt er den Blick des Kremls auf die internationale Politik, den Konflikt in der Ukraine, internationalen Terrorismus, die Politik der NATO und die Eurasische Union wieder. Das Eurasische Magazin ermöglicht mit der auszugsweisen Übersetzung der Rede einen Einblick in Putins Positionen.

Von EM Redaktion | 17.07.2016

Internationale Politik

Russland macht eine unabhängige und selbstständige Außenpolitik. Wir bemühen uns um offene, ehrliche Zusammenarbeit mit allen Staaten – im Westen, im Osten, im Norden und im Süden. Wir zwingen niemandem unseren Willen oder unsere Werte auf. Wir befolgen streng das internationale Recht und verteidigen die zentrale Rolle der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates bei der Lösung globaler und regionaler Probleme.

Der Zustand der Welt ist weit von Stabilität entfernt und wird jeden Tag weniger vorhersagbar. Alle Bereiche der internationalen Politik sind von großen Veränderungen betroffen. Die Konkurrenz um Ressourcen und Einfluss wird stärker. Das Konfliktpotenzial nimmt zu.

Ich bin davon überzeugt, dass gefährliche Entwicklungen und unkontrollierbare Situationen nur durch Dialog und Zusammenarbeit verhindert werden können. Die internationale Gemeinschaft muss eine gerechtere Weltordnung anstreben, die auf Vorstellungen einer gemeinsamen Sicherheit und kollektiver Verantwortung beruht.

Gleichzeitig sehen wir das beharrliche Streben einiger Partner danach, ein Monopol auf die geopolitische Dominanz aufrechtzuerhalten. Dabei kommen seit langer Zeit Instrumente der Bedrohung, der Schwächung, des Aufbringens von Konkurrenten gegeneinander sowie Mittel der politischen, wirtschaftlichen, finanziellen und informationellen Einflussnahme zum Einsatz.

Ich meine damit die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, die regionale Konflikte provoziert, den Export der sogenannten farbigen Revolutionen und anderes. Zur Durchsetzung dieser Politik verbündet man sich mit Terroristen und Fundamentalisten, rechtsextremen Nationalisten und sogar offenen Neofaschisten.

Ukraine

Direkte Zeugnisse dieser Politik sehen wir schon unmittelbar an unseren Grenzen. Vor zwei Jahren wurde, zu unserem großen Bedauern, auch die Ukraine zu einem regionalen Konfliktherd. Dort wurde ein innerer Konflikt entzündet, dessen Preis menschliche Opfer, der Abriss der Wirtschaftsbeziehungen und ein Flüchtlingsstrom, vor allem nach Russland, sind.

Wir wünschen uns sehr, dass die Ukrainekrise schnell beigelegt werden kann. Wir werden weiter im Normandie-Format und mit den USA an einer Lösung mitarbeiten. Wir wollen die Ukraine als guten Nachbarn, als vorhersagbaren und zivilisierten Partner, der mit sich selbst in Frieden lebt. Doch dafür muss man in Kiew endlich verstehen, dass ein direkter Dialog mit dem Donbass, mit Donezk und Luhansk nötig ist und dass alle Forderungen der Minsker Vereinbarungen erfüllt werden müssen.

NATO

Wir halten die Entfesselung des Ukraine-Konflikts und die ständigen Versuche, Russland dafür verantwortlich zu machen, für unerträglich. Dies führt zur Verschlechterung der Lage in Europa und verschlimmert die Folgen des großen Fehlers, der seinerzeit gemacht wurde, ich meine die Erweiterung der NATO nach Osten anstelle der Entwicklung einer einheitlichen Sicherheitsarchitektur vom Atlantik bis zum Stillen Ozean mit Russland als vollwertigem Partner.

Die antirussischen Aktivitäten der NATO werden immer schlimmer. Die NATO sucht im Verhalten Russlands Legitimität für ihre Existenz und unternimmt Schritte einer realen Konfrontation. Die mythische nukleare Bedrohung aus dem Iran ist verschwunden, die zur Rechtfertigung der Raketenabwehr ins Feld geführt wurde, aber dennoch werden in Osteuropa weiter Infrastrukturen für die Raketenabwehr errichtet.

Seitdem diese Idee in die Welt kam, haben ich sie als Betrug, als Fetisch und als bloßen Vorwand bezeichnet. Das ist sie bis heute. Stark zugenommen hat auch die Anzahl der Übungen, auch in der Ostsee und im Schwarzen Meer. Wir werden ständig beschuldigt, dass wir militärische Aktivitäten unternehmen würden. Aber wo? Auf unserem Territorium! In Polen und im Baltikum werden schnelle Einsatzkräfte stationiert und Angriffswaffen werden aufgestockt. Das alles zielt auf den Bruch jahrzehntelang aufgebauter militärischer Parität.

Ich möchte unterstreichen, dass wir diese Prozesse genau verfolgen und adäquat darauf reagieren werden. Wir werden uns auf eine militärische Konfrontation nicht einlassen, denn genau das ist die Absicht, uns dort hineinzuziehen und ein teures und sinnloses Wettrüsten zu provozieren, damit wir unsere Ressourcen nicht für die Lösung sozialer und wirtschaftlicher Aufgaben einsetzen können. Das lassen wir nicht zu.  Wir werden aber auch keine Schwäche zeigen, wir können uns immer verteidigen und die Sicherheit der Russländischen Föderation und ihrer Bürger garantieren.

Die verantwortungslose und falsche Politik der Anwendung von Gewalt, deren Beispiele die Interventionen im Irak und in Libyen sind, hat zu mehr Terrorismus und Extremismus geführt. Das ist doch heute wirklich jedem klar und äußert sich in schrecklichen Phänomenen wie dem sogenannten Islamischen Staat. Die Terroristen nutzen erfolgreich die Zerstörung der staatlichen Strukturen durch die Experimente des Exports der Demokratie in den Nahen Osten und nach Nordafrika aus. Das ist lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre, wenn es nicht so viele Tragödien gäbe.

Terrorismus, Syrien

Die Bedrohung durch den Terrorismus hat sich vervielfacht und ist heute die größte Herausforderung der internationalen Politik. Die Terroristen verfügen zwar noch nicht über die modernste militärische Technik, aber sie haben ihre Hände bereits nach Chemiewaffen ausgestreckt und sie operieren nicht beschränkt auf eine Region der Welt. Es ist schwer zu sagen, wo neue große Anschläge zu erwarten sind.

Im Epizentrum des Kampfs gegen den Terrorismus steht Syrien. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass vom Schicksal dieses Landes nicht nur die Entwicklungen im Nahen Osten abhängen. Auf dem Gebiet Syriens entscheidet sich der Ausgang des Kampfes gegen den Islamischen Staat, unter dessen Banner sich Terroristen und Extremisten überall versammelt haben und der sich auf die ganze Welt ausdehnen will.

Der Islamische Staat will sich in Libyen, Jemen, Afghanistan, den Ländern Zentralasiens, an unseren Grenzen festsetzen. Das ist der Grund, warum wir der Bitte der gesetzmäßigen Führung Syriens um Unterstützung im Herbst des vergangenen Jahres nachgekommen sind.

Diesmal gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und anderen Partnern gelang es uns, einen Waffenstillstand und innersyrische Verhandlungen zu erreichen. Das bestätigt nur unsere Auffassung, dass die heutigen Probleme nur gemeinsam gelöst werden können.

Wir haben in Syrien einen Prozess innersyrischer Verhandlungen angestoßen. Natürlich wird es noch lange dauern, bis eine Lösung gefunden ist. Doch die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass nur im Rahmen einer gemeinsamen, breiten Front gegen den Terrorismus, zu der Russland immer wieder aufgerufen hat und aufrufen wird, wir dem Terrorismus und anderen Herausforderungen der Menschheit die Stirn bieten können.

Eurasische Union

Natürlich gehört zu unseren Prioritäten die Festigung der strategischen Partnerschaft im Eurasischen Raum. Gemeinsam mit Belarus, Kasachstan, Armenien und Kirgistan setzen wir ein großes Integrationsprojekt der Eurasischen Wirtschaftsunion um.

Im Rahmen dieser Union werden nicht nur Handelsbarrieren abgeschafft, es bildet sich auf der Grundlage der Standards der Welthandelsorganisation ein gemeinsamer Sozial- und Wirtschaftsraum heraus, der einheitlichen Politiken, einheitliche Standards und die Förderung industrieller und technologischer Zusammenarbeit beinhaltet, aber auch gemeinsame Wissenschafts- und Bildungsprogramme.

Die Eurasische Union führt Gespräche über Freihandelszonen mit mehr als 40 Staaten und internationalen Organisationen. Verträge sind bereits mit Vietnam geschlossen worden, Verhandlungen laufen mit Israel, Serbien und auf der Liste steht bereits Ägypten.

Europa

Für die Europäer ist es gerade nicht einfach, wir sehen und verstehen, was dort vor sich geht. Das Brexit-Referendum hat die Märkte erschüttert, aber ich denke, die Lage wird sich mittelfristig beruhigen.

Was den Brexit selbst betrifft, das ist eine Wahl Großbritanniens. Wir haben uns nicht eingemischt und werden uns nicht einmischen. Wir müssen allerdings aufmerksam verfolgen, wohin die Verhandlungen zwischen London und Brüssel führen und welche Folgen das für ganz Europa und für uns hat. Es ist klar, dass das Referendum für lange Zeit eine traumatische Wirkung haben wird. Wir sehen uns an, wie die Prinzipien der Demokratie dort praktisch umgesetzt werden.

Ich unterstreiche: Russland unterstützt die Idee eines gemeinsamen wirtschaftlichen und humanitären Raumes mit der EU vom Atlantik bis zum Stillen Ozean, wir halten das für die beste Perspektive für eine langfristige nachhaltige Entwicklung des Eurasischen Kontinents.    

USA

Was die USA angeht, dort geht es in die letzte Phase der Präsidentschaftswahlen. Wir werden den Willen der amerikanischen Wähler natürlich achten und mit jedem Präsidenten zusammenarbeiten. Wir haben ein Interesse daran, mit den USA eng zusammenzuarbeiten und wir lehnen die Haltung des amerikanischen Establishments ab, das nur sie allein entscheiden, in welchen Fragen sie mit Russland zusammenarbeiten wollen und in welchen sie sich gegen uns stellen, bis hin zu Sanktionen. Wir sind für eine gleichberechtigte Partnerschaft, die die Interessen beider Seiten achtet. Nur auf dieser Grundlage sind wir bereit zu arbeiten.

Medien

Wir müssen dem Monopol der westlichen Medien Widerstand leisten. In diesem Sinne müssen wir mit allen verfügbaren Mitteln die russischen Medien unterstützen, die im Ausland arbeiten. Lügen über Russland und die Fälschung der Geschichte dürfen wir nicht einfach geschehen lassen.

Quelle: http://www.kremlin.ru/events/president/transcripts/52298
Übersetzung (in Auszügen): EM

Putin Russland Außenpolitik Syrien

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