Raus aus Griechenland - Neustart in der HeimatALBANIEN

Raus aus Griechenland - Neustart in der Heimat

Immer mehr Arbeitsmigranten kehren aus dem krisengeschüttelten Griechenland in ihre Heimat Albanien zurück. Wie Ndricim und Vladimir, die sich mit einem Internetcafé über Wasser halten. Der Neustart ist nicht leicht, denn auch Albanien hat massive Wirtschaftsprobleme.

Von Eckehard Pistrick

Ndricim und Vladimir sitzen in der Abendsonne vor einem halbfertigen Internetcafé. Das einstöckige Gebäude am Rande der mittalbanischen Stadt Elbasan ist ihre neue Existenz. Sie haben einen Großteil ihres Ersparten in das Café investiert, doch es lockt nur wenige Besucher an. Die Brüder sind vor einem halben Jahr aus dem krisengeschüttelten Griechenland in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie wären lieber geblieben.

1991, kurz nach der Wende, hatten sie sich wie viele andere tausend Albaner ins gelobte Land Griechenland aufgemacht. In zehn Tagen Fußmarsch überquerten sie das bergige Grenzland. Schnell integrierten sie sich in die albanische Diaspora, die bis heute größte Emigrantengruppe in Griechenland.

Wir dachten, dass wir eine Perspektive hatten

Vladimir ist jetzt 41, Ndricim 38 Jahre alt. Auf ihren Plastikstühlen in der Abendsonne, denken sie mit nostalgischen Gefühlen an ihre schwierige Anfangszeit in Griechenland zurück: „Zuerst ging es uns schlecht. Wir schliefen draußen, denn an arme Emigranten vermietete man nicht. Doch dann lief es gut für uns, wir lebten ein normales Leben. Wir hatten eine Wohnung, Arbeit, ein Auto, die Kinder gingen zur Schule. Wir lernten, ohne Angst zu leben. Wir dachten, dass wir eine Perspektive hatten.“ Ndricim und Vladimir lebten in Spata, einem Athener Vorort, in dem man das Dröhnen der Flugzeuge hört. Ndricim arbeitete als Stahlbetonarbeiter am Bau des Athener Flughafens mit. Vladimir schlug sich ebenfalls bei einer Baufirma durch, später arbeitete er für ein Versicherungsunternehmen.

Doch wegen der Krise verlassen immer mehr Albaner das Land. Nach Angaben des albanischen Senders News 24 kehrten alleine in diesem Jahr etwa 1.200 albanische Emigranten aus Griechenland zurück.

Erst Kurzarbeit, dann raus aus der Wohnung

Die Krise deutete sich schrittweise an, erzählen die Brüder. Erst Kurzarbeit, dann wurden die Löhne massiv gekürzt, zum Schluss konnte Vladimir die Miete seiner Athener Wohnung nicht mehr bezahlen. Seine Frau begann illegal zu arbeiten, verpackte Mobiltelefone und Nudeln in Papphüllen – für einen Stundenlohn von drei Euro. Als Vladimir keinen Ausweg mehr sah, entschied er sich, zurückzugehen. „Meine Kinder waren strikt dagegen, sie sind mit der griechischen Kultur aufgewachsen und dort in die Schule gegangen. Wenn sie nach Albanien fuhren, dann um ihre Großeltern zu besuchen, als Urlauber, aber nicht, um dort zu bleiben.“ Bis heute haben seine Kinder Schwierigkeiten sich zu integrieren.

Die Kinder sprechen fast nur griechisch

In der Schule häufen sich die Probleme, denn dort spricht man nur albanisch, während Vladimirs Kinder weiterhin untereinander griechisch reden. Nicht zum ersten Mal hat die Klassenlehrerin die Eltern vorgeladen, um zu unterbinden, dass in einer albanischen Schule griechisch gesprochen wird. 

Noch während die beiden Brüder in Griechenland arbeiteten, begannen sie an ihren eigenen Häusern in Elbasan zu bauen. Ein eigenes Haus als Alterssitz und für die eigenen Kinder: Das war der Traum vieler Emigranten. Endlich hatte man gesicherte Einkünfte und hoffte, dass auch Albaniens Wirtschaft sich positiv entwickeln würde. Doch dann ging ihnen das Geld aus. Bei Ndricim ist nur das Obergeschoss, bei Vladimir das Untergeschoss fertig geworden. Wie den Brüdern geht es hier vielen Rückkehrern, die nun in halbfertigen Investruinen wohnen.

In Albanien gibt es nichts zu bewegen

Schon ihre ersten Tage in Albanien erlebten die Brüder als Enttäuschung. „Wir sind mit dem Gedanken aus Griechenland zurückgekommen, hier etwas zu bewegen, doch hier gibt es einfach keine Arbeit.“

Dabei hatte die albanische Regierung unter Ministerpräsident Sali Berisha hohe Erwartungen an die Rückkehrer gestellt. Sie hoffte, dass diese das im Ausland verdiente Geld in Albanien investieren würden. In der Tat hatten viele Emigranten ihren Glauben in das griechische Bankensystem verloren und ihr Geld in Albanien angelegt – bis Mai 2012 immerhin rund 510 Millionen Euro. Doch wegen der schlechten Wirtschaftslage brauchen viele das Geld schlicht zum Überleben. Unterdessen drängen die besserqualifizierten Emigranten auf den albanischen Arbeitsmarkt und verdrängten schlechter qualifizierte Albaner.

Illegal auf dem Bau

Ndricim hat im vergangenen Jahr nur zwei Monate gearbeitet. „Wir haben nur noch von unserem Ersparten gelebt“, sagt er. Jetzt hat er in Elbasan illegal bei einer Baufirma angeheuert: Er verdient nur ein Bruchteil von dem, was er in Griechenland einnahm.

Die Arbeitslosigkeit, vor allem die dramatisch in die Höhe geschnellte Jugendarbeitslosigkeit, ist ein schwerwiegendes Problem für die albanische Wirtschaft. Mit 13 Prozent ist die Arbeitslosenquote allerdings niedriger als im benachbarten Griechenland mit 21 Prozent. Doch die Krise in Griechenland wirkt sich immer mehr auch auf Albanien aus. Früher investierten griechische Firmen in die schwache Infrastruktur des Landes. Die Baustellen liegen nun brach. Immer noch gibt es auf dem Land Stromausfälle, die Straßen sind nur schlecht ausgebaut. Lebensmittel und Energie werden immer teurer. Seit Beginn des Jahres ist auch der Export, der vor allem ins ebenfalls krisengeschüttelte Italien geht, erstmals seit zwei Jahren zurückgegangen. Klare Anzeichen einer drohenden Rezession. Eine Vision, wie man der Krise in Albanien entgegenwirken will, gibt es nicht.

Bohnenanbau, um zu überleben

Um nicht in die Armut abzugleiten, sind die Brüder aktiv geworden. Neben seinem Internetcafé baut Vladimir in seinem Heimatdorf nun auf einem Hektar Land Bohnen an. Doch keiner garantiert ihm, dass er diese auf dem Basar verkaufen wird.

Ndricim würde jederzeit nach Griechenland zurückgehen: „Sobald mich mein Arbeitgeber anruft, würde ich sofort zurückgehen nach Athen. Dort bekomme ich 50 bis 60 Euro pro Tag, hier nur 15 Euro. Eigentlich ist es sinnlos, zu bleiben.“ Nur seinen Kindern würde er einen Ortswechsel nicht noch einmal zumuten, „denn mit dem Leben der Kinder spielt man nicht.“ Die Sonne ist fast untergangen, Vladimir öffnet noch eine Flasche Bier. Morgen bauen sie weiter an ihrem Internetcafé. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig.

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Der Autor ist Korrespondent von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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