Schnee in SamarkandAUSSTELLUNG

Schnee in Samarkand

Schnee in Samarkand

Bis zum Bis 12. September läuft im Martin-Gropius-Bau in Berlin eine Ausstellung des Schweizer Fotografen Daniel Schwartz mit dem Titel „Schnee in Samarkand – Ansichten aus dem Hinterland der Kriege“.

Von Eberhart Wagenknecht

S amarkand – welcher Klang! Name einer der ältesten Städte der Welt. Vor fast 3.000 Jahren gegründet. Wohlhabend und prachtvoll durch den Handel an der legendären Seidenstraße, die durch die Stadt führt und vom chinesischen Tarimbecken einst bis an die Gestade des Mittelmeeres führte. Alexander der Große war hier, hat die Handelsmetropole erobert. Dschingis Khan und seine Reiter äscherten sie ein. Der mongolische Herrscher Tamerlan machte Samarkand zur Hauptstadt seines Großreichs. Im 19. Jahrhundert kam sie unter russische Herrschaft. Seit Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 gehört Samarkand zur unabhängigen Republik Usbekistan.

Unter den Augen der Taliban. Kabul, Afghanistan 1998.
Unter den Augen der Taliban. Kabul, Afghanistan 1998.
© 1998 Daniel Schwartz / ProLitteris / VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Das „Hinterland der Kriege“, von dem Daniel Schwarz in seinen Bildern berichtet, befindet sich hier. Und das gilt nicht nur für die Historie. Die Ausstellung konfrontiert mit brisanter Gegenwart. Sie führt nach Afghanistan und Zentralasien und zeigt Geschichte, Geografie und Gegenwart einer Region, die vom Kaspischen Meer bis über die Wüsten Westchinas hinausreicht und von Kasachstan im Norden bis Pakistan und Iran im Süden. Diese Region ist in den Nachrichten als Herd andauernder Kriege und latenter Konflikte präsent.

Strassenkehrer. Kargil, Ladakh, Indien 2000.
Strassenkehrer. Kargil, Ladakh, Indien 2000.
© 1998 Daniel Schwartz / ProLitteris / VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Mit Kamera und Notizblock

Schwartz folgt geschichtlichen Spuren und trifft auf deren Zeugnisse ebenso, wie auf die allgegenwärtige Kriegsszenerie. Afghanistan, Usbekistan und Kirgistan, Hindukusch und Altai, an dessen Ausläufern Samarkand liegt, berührt die Reiseroute. Schwartz beobachtet die ganz normale Korruption, die selbst bei einer Eisenbahnfahrt nach China ihren Tribut fordert,  trifft Taliban-Führer und Taliban-Kontrolleure und fotografiert sie. Mit Kamera und Notizblock protokollierte Schwartz mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, was er beobachtet.

Der 1955 in Olten in der Schweiz geborene Daniel Schwartz besuchte von 1977 bis 1980 die Fachklasse für Fotografie an der Schule für Gestaltung in Zürich. Von 1990 bis 2005 war er Mitarbeiter der Kulturzeitschrift „du“. 1987/88 dokumentierte er die Architektur der Großen Mauer in China und die sich verändernde Landschaft. In den 1990er Jahren arbeitete er in den ökologischen Notstandszonen und Konfliktgebieten Süd- und Südostasiens, danach in Zentralasien und Afghanistan. Zeugnis dieser Arbeit gibt die fast tausendseitige historische Reportage „Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren“ (2008) und das Künstlerbuch „Travelling Through the Eye of History“ (2009).

Schwartz hatte zahlreiche Einzelausstellungen unter anderem im Kunsthaus Zürich, Imperial Palace Museum, Beijing, Kunstmuseum Solothurn und im Rahmen des Billboard-Programms des Kunsthaus Bregenz. Zweimal wirkte er bei Gruppenausstellungen bei der Biennale Venedig mit. Im Sommer 2011 zeigt das San Francisco Museum of Modern Arts eine Serie von Afghanistan-Bildern.

Daniel Schwartz, Kabul, 2006.
Daniel Schwartz, Kabul, 2006.
© 2006 Navid Kermani

Aus europäischer  und asiatischer Perspektive

Nun also in Berlin. Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau  untersucht das geografisch heterogene und machtpolitisch komplexe Gebilde Zentralasien sowohl von innen her als auch aus europäischer, chinesischer und persisch-arabischer Perspektive.

Zugrunde liegt die Erkenntnis, dass die Vermittlerrolle Zentralasiens zwischen Ost und West bis in die prähistorische Zeit zurückreicht. Schon immer war sie ein entscheidender machtpolitischer Faktor. Und nicht erst seit 9/11 und der darauf folgenden militärischen Intervention in Afghanistan besitzt diese Region geostrategische und geo-ökonomische Bedeutung.

Der ausgestellte Werkzyklus entstand zwischen 1995 und 2007 in den fünf zentralasiatischen Republiken sowie in Afghanistan und den angrenzenden Regionen. Seit 14 Jahren bereist Schwartz dieses Gebiet und hat dabei ebenso betörende wie bestürzende Bilder geschaffen – etwa die zeitlos anmutende Aufnahme afghanischer Flüchtlinge aus dem Hungergebiet oder das Bild der iranischen Ruinenstadt Bam.

Die Fotografien bilden eine humanistische Sichtweise innerhalb der Tradition der Dokumentarfotografie ab. Angesiedelt in der Schnittmenge zwischen Dokumentar- und Kunstfotografie, sind sie gekennzeichnet durch ein feines Gespür für soziopolitische Zusammenhänge sowie für besondere visuelle Momente. Das Ergebnis sind relevante Bilder.

Uiguren beim Ausheben eines Bewässerungskanals. Xinjiang, China
Uiguren beim Ausheben eines Bewässerungskanals. Xinjiang, China
© 1998 Daniel Schwartz / ProLitteris / VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Momentaufnahmen, die Geschichte zeigen

Zeit und Erinnerung, Gegenwart und Vergangenheit sind Gegenstände des Werkes von Daniel Schwartz. Sie thematisieren den Dialog von Geografie und Geschichte, von nachwirkender Vergangenheit und herrschenden Entwicklungen. Die Fotografien sind Momentaufnahmen und gleichzeitig Geschichtsbilder. Sie führen an entlegene und vermeintlich bekannte Orte und beleuchten Asymmetrien und tradierte Missverständnisse innerhalb der Begegnung der Kulturen.

Die erstmals in Deutschland präsentierte Ausstellung zeigt die Bilder nicht chronologisch oder geografisch geordnet, sondern assoziativ gruppiert. Die Ausstellung und die beiden begleitenden Bildbände eröffnen Perspektiven und Zusammenhänge, die auch Historiker, Geografen und Militärstrategen überraschen.

Eurasien Geschichte Kultur

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