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Tariq Ali: Bush in Babylon

Tariq Ali: Bush in Babylon. Die Re-Kolonisierung des Irak. Heinrich Hugendubel Verlag (Diederichs), Munchen 2003, 208 Seiten, 19,95 Euro.

Von Eberhart Wagenknecht

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Tariq Ali: Bush in Babylon
 

EM - 30 der 224 Seiten des Buches sind Anmerkungen, fünf entfallen aufdas Register. In ihm kommen die Namen George W. Bush, Paul Bremer, und DonaldRumsfeld je drei Mal vor. Eher beiläufig. Um so mehr schreibt Tariq Ali überden früheren Syrischen Präsidenten Hafez al-Assad und über dengestürzten Diktator des Iraks, Saddam Hussein. „Bush in Babylon“ liefertnur den Anlaß für das Buch, sein Inhalt ist historisch.

Auf den 186 Seiten des Textteiles finden ausführliche Dichterlesungenstatt. Der Autor schreibt zum Beispiel: „Al-Jawahiri hat im Gedenken an dieErhebung von 1948 ein Gedicht geschrieben. Als Bagdad im April 2003 fiel, hattenviele Iraker die Eingangsverse auf den Lippen:

‚Ich sehe den Horizont leuchtend vom Blut,
Und manche sternenlose Nacht,
Eine Generation kommt, eine andere geht
Und das Feuer brennt weiter.‘“

1948 hieß die Besatzungsmacht Großbritannien, so, wie auch heutewieder, zusammen mit den USA. Tariq Ali aber spannt den Bogen viel weiter.Vom Mongolensturm, dem Bagdad 1258 zum Opfer fiel, bis zum Einmarsch der US-Armeeim April 2003.

Bagdad habe sich von der Niederlage durch die Mongolen nie erholt. Und auchnicht von der im Jahre 1948 gegen die Briten. Dazwischen, so Ali, sei es langeeine „Provinzstadt mit abnehmender Bevölkerungszahl“ gewesen, „heimgesuchtvon Überflutungen und anderen Katastrophen, beherrscht nacheinander vonMongolen, Persern, Osmanen und schließlich Briten (die eine Monarchieetablierten). Die Befreiung erfolgte in der Region erst sieben Jahrhhundertespäter, im Jahr 1958, auf dem Höhepunkt des arabischen Nationalismus.Die Armee wurde in praktisch jeder Hinsicht zum Hort der nationalistischenIdeen.“

Heute ist diese irakische Armee besiegt und aufgelöst. In Bagdad undin weiten Teilen des Iraks herrscht der Ausnahmezustand. Fast könnte mansagen, so sei es eigentlich immer gewesen. So jedenfalls schildert der Autordie Geschichte des irakischen Widerstandes und die immer neuen Interventionenfremder Mächte in dem Land um Euphrat und Tigris. Sie hätten einegroße Zahl von Kollaborateuren geschaffen, die sich an der Ausbeutungihres eigenen Landes beteiligten. „Doch die Iraker werden ihr Los als amerikanisch-britischeKolonie nicht akzeptieren“, prophezeit er.

Schakalhochzeit zwischen handverlesenen Kollaborateuren

Tariq Alis Buch ist kein aktueller Beitrag zur Situation des Iraks. Aber eszeigt die Hintergründe auf, die zur Re-Kolonisierung des Landes geführthaben. Die Grundmelodie bildet das Gedicht von Saadi Youssef mit dem Titel „DieSchakalhochzeit“. Sie „würdigt“ das Treffen einer „Schar handverlesenerKollaborateure“, die sich am Vorabend des jüngsten Irakkrieges in einemLondoner Hotel getroffen und die „Zukunft des Iraks nach der ‚Befreiung‘“ diskutierthabe.

Noch eine weitere „Schakalhochzeit“ nennt Tariq Ali. Sie habe im Juli 2003im besetzten Bagdad stattgefunden, als den Journalisten ein von den USA berufener „provisorischerRegierungsrat“ präsentiert wurde.

Der Abscheu des Autors über diese Entwicklung ist unverkennbar – ebensowie über die all die Jahrhunderte vorher ausgeübten Kolonialregimes.Vielleicht, so meint er, könnte im Irak „eine Ordnung im Stil des Vichy-Regimes,getragen von örtlichen ‚Schakalen‘, wenigstens für begrenzte ZeitErfolg haben.“ Doch solange es noch einen bewaffneten Widerstand gäbe,sei dies auszuschließen.

„Die Besetzung des Iraks dient einzig und allein den Interessen der USA undGroßbritanniens“, – das macht der Autor unmißverständlichklar. Couragiert, wie schon in dem Band „US-Imperialismus – Mutter aller Fundamentalismen“ (Rezensionvgl. EM 06-02) prangert Ali die kriegführenden Parteien USA und Großbritannienan. Er gibt sich überzeugt, daß die Iraker die Geschichte ihresLandes als Spielball der Weltreiche nicht vergessen haben, und sich auch denneuen Besatzern nicht ohne Widerstand als Vasallen unterordnen werden. DasBuch ist eine provokante Streitschrift gegen Krieg und Besetzung als Mittelder Politik und eine Hommage an die Menschen im Irak sowie die unbeugsamenDichter und Denker der arabischen Welt.

Irak Rezension

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