Tauchgang in den KriegSÜDCHINESISCHES MEER

Tauchgang in den Krieg

Tauchgang in den Krieg

Wracktouren in der philippinischen Coron Bay – ein Schiffsfriedhof der ständig neue Überraschungen bietet – punktgenaue Landung auf dem Flakgeschütz.

Von Jens Rosbach

Einsame, sattgrüne Inseln. Wolkenfetzen. Tiefblaues Wasser. Ein dunkles Speedboot jagt über die glitzernde See. Darin: drei Männer in schwarzen Tauchanzügen. Sie sind mit Luftdruckflaschen und Unterwasserlampen ausgerüstet. Es handelt sich um keinen James-Bond-Film, sondern um einen realen, ungewöhnlichen Abenteuertrip auf den Philippinen. Nach einer Dreiviertelstunde stoppt der einheimische Guide den Motor. Stille. Wir gleiten auf eine Plastikboje zu, die auf dem Wasser tanzt. Flaschen schultern, Flossen anziehen, Unterwassercomputer prüfen. Gleich werden wir eintauchen in eine düstere Welt: in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs.        

Der Tod kam in den frühen Morgenstunden

Rückblick: 24. September 1944. Im Nordwesten der Philippinen, im südchinesischen Meer, attackiert die dritte Luftflotte der US Task Force 38 einen japanischen Versorgungskonvoi. Die zwei Dutzend Transporter haben sich in der unübersichtlichen Inselgruppe rund um die Coron Bay versteckt. Dennoch sind sie eine leichte Beute. Denn kein Schlachtschiff der kaiserlichen Marine schützt den Verband. So greifen in den frühen Morgenstunden rund 120 amerikanische Jagdflugzeuge und Bomber die feindlichen Versorger an. Zwar versuchen die japanischen Frachter aus dem Insellabyrinth zu flüchten, doch der Bombenhagel ist einfach zu massiv: Die Schiffe werden versenkt. Das Desaster geht – neben der Zerstörung des Pazifik-Stützpunktes Truk - als „Japanisches Pearl Harbor“ in die Historie ein.

Drillingsgeschütz auf dem 118 Meter langen Flugboot-Träger

Wir stürzen uns in ein dunkelgrünes, trübes Nichts, tasten uns entlang der Bojenleine abwärts. Auf 22 Meter Tiefe plötzlich ein Schatten: Die Stahlwände eines zur Seite gekippten Wracks. Die Akitsushima. Eins von insgesamt zwölf japanischen Schiffen, die auf dem Meeresboden der Coron Bay wieder gefunden wurden. Die Akitsushima war ein 118 Meter langer Flugboot-Träger; sie zählt heute zu den aufregendsten Tauchspots dieser Region. Auch, weil es hier noch ein echtes Flakgeschütz zu bestaunen gibt.

Wir landen punktgenau auf der Luftabwehrkanone. Der Guide hat uns genau an der Stelle absinken lassen. Es ist ein Drillingsgeschütz, überwuchert mit rosa- und orangefarbenen Korallen, umschwärmt von Hunderten silbernen Fischchen. Eines der drei Kanonenrohre ist nach wie vor offen, wir können direkt in das unheimliche, schwarze Loch blicken. Unser einheimischer Tauchführer kaspert herum – er setzt sich in den Flaksitz und simuliert einen Feuerstoß.

Meeresbarben, Fledermausfische und Weichkorallen

Wir sind auf 34 Meter. Nun müssen wir uns beeilen, denn in dieser Tiefe verbrauchen wir viel Luft. Das Wasser bleibt trübe. Aus dem Dunst taucht ein riesiger, umgestürzter Schornstein auf. Dann: Lafetten von gewaltigen Bordgeschützen. Überall liegen zerfetzte Eisenteile und abgerissene Stahlträger herum. Meeresbarben flitzen über die Trümmerberge. Fledermausfische stehen in der Strömung. Weichkorallen wanken im milchigen Wasser hin und her. Eine mystische Szenerie, zumal – aus unerklärlichen Gründen - immer wieder ein leiser, metallisch klingender Ton zu hören ist. Als wenn das einsame Wrack vor sich hin stöhnen würde.

Während wir durch das Wasser schweben, läuft in unseren Köpfen ein Film ab: Wie ein Flugboot aus dem Bauch des Schiffes an Deck gehievt wird. Wie ein Kran den Flieger auf das Wasser setzt. Wie die Propeller starten. Dann, plötzlich: Sirenengeheul. Explosionen. Eisen splittert, kreischt, glüht. Matrosen schreien. Das Kriegsschiff beginnt zu sinken. Am Meeresboden kippt es langsam auf die Seite und bricht schließlich auseinander.

Wir tauchen auf – in die Gegenwart. Das Wasser glitzert, unser Speedboot schaukelt gemächlich in der Sonne. Wir klettern hinein, legen die schwere Ausrüstung ab und flitzen zurück zu unserem Resort: Sangat Island. Eine kleine Anlage mit einem Dutzend Luxus-Bambushütten. Eine Oase mit eigenem Strand, umgeben von scharfkantigen Felsen. Keine weiteren Hotels weit und breit. Kokospalmen, Hängematten und türkisfarbenes Wasser – ein Kontrast zu unserem schaurig-schönen Tauchgang.

Scharfe Munition und Menschenschädel

Das Resort hat eine eigene Tauchbasis, unter deutscher Leitung. Von hier aus starten wir – mit Schnellbooten und philippinischen Katamaranen - zu weiteren japanischen Kriegswracks. Sie liegen zumeist nur wenige Minuten von der Basis entfernt. In einem der Frachter, der Kogyo Maru, entdecken wir einen alten Bulldozer im Schiffsbauch. Auch Zementsäcke und Drahtrollen modern hier vor sich hin. Offenbar wollte der Versorger Baumaterial zu einem Flugplatz bringen. In der fast 70 Jahre alten Ladung hausen heute Steinfische, Skorpionfische und Drachenköpfe.

Die Tauchguides berichteten begeistert, dass der Schiffsfriedhof in der Coron Bay ständig neue Überraschungen bietet. So fanden sie neben einem kleinen Kanonenboot fingerlange, scharfe Patronen im Meeresboden. Bei einem anderen Wrack stießen sie sogar auf einen menschlichen Schädel. Die Froschmänner ließen ihn respektvoll an Ort und Stelle liegen. Doch irgendwann verschwand er auf geheimnisvolle Weise.

*

Fotos: www.jensrosbach.de

Empfehlung: ID-Reisewelt
http://www.id-reisewelt.de/Philippinen/Pakete/Tauchen-rund-um-Sangat-Island--Palawan/c504_uc_mpa_p100635_sdetail.html?refID=eurasischesmagazin

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