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THAILAND
Von Wilfried Arz | 21.08.2016
Seit 2014 wird Thailand von einem Militärregime unter General Prayut Chan-ocha regiert. Auslöser des Militärputsches war eine sich über Monate zuspitzende innenpolitische Eskalationsspirale. Bangkok wurde Schauplatz von teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen einer konservativen (städtischen) Bewegung und den “Rothemden”, einem Sammelbecken bäuerlicher Modernisierungsverlierer. Seit 2014 verspricht das Militär Reformen. Nun soll ein Verfassungsentwurf der Militärregierung Grundlagen für einen politischen Neuanfang schaffen.
Im Kern zielt die neue Verfassung darauf die politische Macht des Militärs auch in Zukunft zu sichern und den politischen Einfluss und Wiederaufstieg der Cliquen um den 2006 durch einen Militärputsch entmachteten Regierungschef Thaksin Shinawatra zu verhindern.
Am 7. August wurden Thailands Wähler (rund 50 Millionen Wahlberechtigte) zu den Urnen gerufen, um über den neuen Verfassungsentwurf der Militärregierung abzustimmen. Rund 40 Prozent der Wahlberechtigten boykottierten die Abstimmung, vierzig Prozent votierten dagegen.
Dennoch feierte General Chan-ocha das Ergebnis des Referendums euphorisch als deutliche Zustimmung seines Verfassungsentwurfes. Deutliche Zustimmung? Wahlarithmetik offenbart auch eine andere Interpretation: lediglich ein rundes Drittel aller Wahlberechtigten hat dem Verfassungsentwurf zugestimmt. Fazit: Thailands Bevölkerung steht dem Militärregime in Bangkok mit deutlicher Mehrheit weiterhin ablehnend gegenüber.
Blutige Bombenanschläge in Thailands Touristenzentren Hua Hin, Phuket und Trang haben das Militärregime aus seinen hartnäckig verbreiteten Behauptungen gerissen, die politische Lage im Königreich unter Kontrolle zu haben. Bereits im August 2015 hatte ein Anschlag im Zentrum der Hauptstadt Bangkok zwanzig Todesopfer und über 80 Verletzte (darunter ebenfalls viele Touristen) gefordert und der Öffentlichkeit die prekäre Sicherheitslage deutlich vor Augen geführt. Von einzelnen Anschlägen der letzten Jahre abgesehen, sind es die muslimischen Süd-Provinzen Thailands, in denen Gewalt an der Tagesordnung steht und seit 2004 über 7.000 Opfer gefordert haben soll. Thailands Medien berichten auffallend wenig über diesen blutigen Konflikt.
Dort im muslimischen Süden Thailands sollen die Anschläge logistisch geplant und umgesetzt worden sein. Politischer (muslimischer) Widerstand in den Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat manifestiert sich in Gewalt gegen Thailands (buddhistisches) Militär, Vertreter der Verwaltung und Lehrer, auch gegen buddhistische Mönche. Ziel gewaltsamer Anschläge ist es, in der buddhistischen Zivilbevölkerung Angst zu schüren und diese zum Verlassen ihrer Heimat zu veranlassen. In diesem Kontext scheint die verbreitete These, muslimische Rebellen seien Drahtzieher der Anschläge schlüssig zu sein. Benutzte Sprengstoffe, Mobiltelefone als Zeitzünder und unprofessionelle Umsetzung decken sich mit Anschlagsprofilen in Süd-Thailand.
Nicht nur rebellischen Muslimgruppen kann ein Motiv für die Bombenanschläge unterstellt werden. Auch andere Akteure lassen sich als potentielle Drahtzieher identifizieren. So die “Rothemden”-Bewegung aus Nordost-Thailand, die (noch immer) mit dem 2006 entmachteten Regierungschef Thaksin Shinwatatra eng liiert ist und seit dem Coup 2014 vom Militär unter Kontrolle gehalten wird. So auch die USA: seit Jahren pflegen US-Botschafter in Bangkok Kontakte mit “Rothemden”-Vertretern und wünschen sich eine pro-amerikanische Regierung in Thailand (wie unter Thaksin Shinawatra!) zurück, die nicht mit China anbandelt (wie General Prayut) und damit Amerikas Geostrategie einer Einkreisung Chinas stört. Nicht nur in Thailand werden den USA Einmischungsversuche in innenpolitische Machtkonflikte unterstellt.
Thailands Militär vermeidet gezielt den Begriff “Terrorismus” (in Thai: karn kor kan rai), sondern spricht verharmlosend von “lokaler Sabotage” (in Thai: vinasakam chapor jud).
Thailands Wirtschaft liegt seit Jahren am Boden. Nur der Tourismus scheint (noch) zu boomen. Sollten ausländische Besucher nun Thailand als Reiseziel meiden, wäre auch der letzte Lichtblick in der ansonsten erfolglosen Wirtschaftspolitik des Militärs erloschen.
Sicherheitsrisiken für Touristen resultieren keineswegs durch Anschläge allein. In Thailands Touristenzentren nimmt Gewalt zu - durch jugendliche Einzeltäter und kriminelle Gruppen. Nicht selten verhindert dort die Polizei Ermittlungen gegen einflussreiche Mafiafamilien. Die jüngsten Bombenanschläge machen deutlich: eine kritische Überprüfung des Trugbildes Thailand ist überfällig.
Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler und berichtet für das EM regelmäβig aus Südostasien
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