„Ungarn und Rumänien sind als Staaten Feinde ihrer eigenen Völker“SÜDOSTEUROPA

„Ungarn und Rumänien sind als Staaten Feinde ihrer eigenen Völker“

„Ungarn und Rumänien sind als Staaten Feinde ihrer eigenen Völker“

Der ungarische Philosoph Tamás über Erbfeinde im Karpatenbassin. „Von der Tradition verflucht und von Gott geschlagen ist das rumänisch-ungarische Verhältnis“, sagt er. Was ist da los? Zum Beispiel dies: Die Staaten sind verfeindet, die Völker auch, die ethnischen Minderheiten im jeweils anderen Staat sowieso, und auf beiden Seiten bestehen politische Parteien und Gruppierungen, die die bestehenden Differenzen und Kontroversen bis zum Exzess steigern. So war es immer - und so ist die bedrückende Aktualität im 21. Jahrhundert.

Von Wolf Oschlies

Ungarische Postkarte aus den 1920er Jahren, herausgegeben vom „Nationalbund Ungarischer Frauen“. Sie zeigt das Territorium Ungarns vor der Abtrennung der im Vertrag von Trianon (1920) festgelegten Gebiete.
Ungarische Postkarte aus den 1920er Jahren, herausgegeben vom „Nationalbund Ungarischer Frauen“. Sie zeigt das Territorium Ungarns vor der Abtrennung der im Vertrag von Trianon (1920) festgelegten Gebiete. Angegeben sind sogar die Prozentzahlen der verlorenen Gebietsanteile.
Quelle: Archiv Oschlies.

G aspar Miklos Tamás wurde 1948 im rumänischen Cluj geboren. In seiner Heimatstadt studierte er später Philosophie und klassische Philologie. Nach Beendigung seiner Studien 1972 wurde er Redakteur einer literarischen Wochenzeitung in Cluj, kurze Zeit später zum Korrektor „degradiert“ und 1974 mit einem Publikationsverbot belegt. 1978 floh er vor Ceausescus Geheimpolizei „Securitate“ nach Ungarn, wo er ab 1979 an der Universität Budapest lehrte. 1981 wurde er auch hier entlassen. In den Folgejahren entwickelte er sich zum führenden ungarischen Dissidenten, obwohl seine Schriften nur im Untergrund kursierten.
 
Im Umsturzjahr 1989 war Miklos Tamás Gründungsmitglied der Liberalen Partei, für die er bis 1994 im Parlament saß. 1991 avancierte er zum Direktor des Philosophie-Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 1994/95 gab er seine politischen und wissenschaftlichen Ämter auf, zumal er inzwischen in zahlreichen Ländern Europas und in Übersee ein allseits anerkannter und hochgeehrter Philosoph war. Seit Mai 2010 leitet er die „Zöld Baloldal“ (Grüne Linke), eine links-liberale und antitotalitäre Minipartei.

Starker Tobak für Ungarn und Rumänien

Tamás hat am 31. Juli 2011 in der ungarischen Zeitung „Népszabadság“ (Volksfreiheit), einst die größte Zeitung des Landes, einen umfangreichen Aufsatz über ungarisch-rumänische Beziehungen veröffentlicht, der kurz darauf in rumänischer Übersetzung in der Wochenzeitung „22“ – benannt nach dem 22. Dezember 1989, dem Tag, an welchem die rumänische Revolution gegen den Diktator Ceausescu begann – veröffentlicht wurde. Der Aufsatz ist brillant, aber starker Tobak für Ungarn und Rumänien, gipfelt er doch in der Feststellung: „în forma lor actuală, aceste state sunt duşmanii propriilor popoare“ – „in ihrer jetzigen Form sind diese Staaten die Feinde ihrer eigenen Völker“.

Ungarn und Rumänien sind Nachbarn, leben zeit ihrer ethnischen Existenz in ethnischer Gemengelage, blicken auf Jahrhunderte historischer Verbindungen zurück, sind in ihrer heutigen Form mehr oder minder erst am Ende des Ersten Weltkriegs entstanden, waren im Zweiten Weltkrieg Verbündete Hitlers, also auch dessen Opfer, haben in Nachkriegsjahrzehnten unter kommunistischen Diktatoren der schlimmsten Art gelitten, von denen sie sich durch mutige Revolutionen zu befreien suchten – die Ungarn erfolglos 1956, die Rumänen mit Erfolg 1989. Man sollte meinen, diese Fülle und Dauer der Gemeinsamkeiten hätte längst ein freundschaftliches Nahverhältnis begründet – wir Anrainer des Karpaten-Bassins verwandeln geographische Nähe in politische Partnerschaft!

Durch Drehung des seitlich angebrachten Rädchens können die abgetrennten Gebiete nach außen in Richtung auf die Anlieger-Nationen verschoben werden, die Anteile des ungarischen Territoriums durch den Vertrag von 1920 zugesprochen bekamen. Zurück bleibt das heutige Ungarn. Angegeben sind sogar die Prozentzahlen der verlorenen Gebietsanteile.
Durch Drehung des seitlich angebrachten Rädchens können die abgetrennten Gebiete nach außen in Richtung auf die Anlieger-Nationen verschoben werden, die Anteile des ungarischen  Territoriums durch den Vertrag von 1920 zugesprochen bekamen. Zurück bleibt das heutige Ungarn.
Quelle: Archiv Oschlies.

„Rumänien und Ungarn leben in einem Meer gegenseitiger Ignoranz und beschnüffeln sich im paranoiden Misstrauen eines Feindbildes, dem jeder Inhalt fehlt“

„Von der Tradition verflucht und von Gott geschlagen ist das rumänisch-ungarische Verhältnis“, seufzt der Romano-Magyar Tamás, woran das unheilvolle Wirken der „zweieinhalb politischen Eliten in Ungarn, in Rumänien und bei den Ungarn Rumäniens“ die Hauptschuld trägt: Die Staaten sind verfeindet, die Völker auch, die ethnischen Minderheiten im jeweils anderen Staat sowieso, und auf beiden Seiten bestehen politische Parteien und Gruppierungen, die die bestehenden Differenzen und Kontroversen bis zum Exzess steigern. Kurz: „Rumänien und Ungarn leben in einem Meer gegenseitiger Ignoranz und beschnüffeln sich im paranoiden Misstrauen eines Feindbildes, dem jeder Inhalt fehlt“. „Das einzig dastehende Ungarntum soll aus dem Karpatenbassin verschwinden“ ist laut ungarischer Urangst die Absicht der Rumänen – das seit tausend und mehr Jahren regional und kulturell differierende Rumänentum soll durch den geballten ungarischen Chauvinismus völlig aufgelöst werden, ist die große Furcht der Rumänen.
 
Diese dauerhaft missliche „Befindlichkeit“, zeitweilig gemildert nur durch beiderseitige „mäßigende Faulheit“, ist durch jüngste internationale Krisenerscheinungen noch verschärft worden, wofür Ungarn und Rumänen „Sündenböcke“ suchten und fanden – die Roma! Was in Westeuropa die Muslime und Immigranten sind, so Tamás, sind im Karpatenbassin die Roma, also „Fremdlinge unter ethnischem, kulturellem und zivilisatorischem Aspekt“, für die immense Summen Sozialhilfe ohne jeden Sinn und Effekt vergeudet werden. Zwar kann man die Ungarn in Rumänien nicht mit „tigani“ vergleichen, aber es besteht eine starke antimagyarische Aversion bei Rumänen, die „ihre“ Ungarn am liebsten wie die Roma behandeln und diskriminieren würden. Das aber geht nicht, weil die Ungarn gebildeter und besser situiert als Roma sind, zudem den ungarischen Staat als Rückhalt haben. In Ungarn bestehen ähnliche Einstellungen gegenüber Rumänen.

Expansiver und militaristischer Nationalismus

Das alles ist kein Pendant westeuropäischer Querelen, wie sie etwa zwischen Flandern und Wallonen und anderswo bestehen. In Westeuropa spiegeln sich Entwicklungsgefälle zwischen reichen und armen Regionen wider, während zwischen Ungarn und Rumänen ein „expansiver und militaristischer Nationalismus“ waltet.
 
Hier waltet „ignoranta reciproca“, die durch Geschichtsmythen auf beiden Seiten ständig neu genährt wird. Tamás kennt und benennt die Mythen: Für die Ungarn ist es vor allem „Trianon“, also der 4. Juni 1920, als Ungarn in Schloss Trianon bei Paris den Friedensvertrag unterzeichnete. Angeblich verlor es damals zwei Drittel „seines“ Territoriums, tatsächlich hat es gar nichts verloren, weil es kein souveränes „Ungarn“ gab. Ungarn bestand bis 1918 lediglich als Teil der Habsburger Monarchie, die zu den Verlierern des Ersten Weltkriegs gehörte und deren Staatstrümmer sich zu neuen Staaten emanzipierten: „Oberungarn“ durfte wieder die Slowakei sein, die sich umgehend mit den stammesverwandten Böhmen und Mähren zur Tschechoslowakei zusammenschloss. Ähnlich hielt es „Erdely“, das rumänische „Ardeal“ (oder „Transilvanien“), das zu Rumänien stieß, Kroatien und die serbische Vojvodina, die zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ (ab 1929 „Jugoslawien“) gingen etc.

Neubeginn mit blasphemischem Unsinn vernebelt

Wenn es in Europa jemals so etwas wie eine „Selbstbestimmung der Völker“ gegeben hat, dann war es die damalige Auflösung der Habsburgischen Teilprovinz „Ungarn“. Aber diesen plebiszitären Neubeginn haben die Ungarn niemals anerkannt, ihn vielmehr mit blasphemischem Unsinn vernebelt, etwa mit dem „Gebet“, das ungarische Schüler in der Zwischenkriegszeit tagtäglich herleiern mussten: „Ich glaube an einen Gott./ Ich glaube an ein Vaterland./ Ich glaube an eine ewige göttliche Gerechtigkeit./ Ich glaube an die Auferstehung Ungarns./ Amen“.

Heute bedient man sich effizienterer Mittel, etwa der doppelten Staatsbürgerschaft, die das „halbdiktatorische Regime Orbán“ (Tamás) allen Diaspora-Ungarn aufdrängt, um sie gegen ihre Heimatländer „mobilisieren“ zu können.

Auch ohne Trianon wäre die Geschichte keinen Deut anders verlaufen, denn kein Volk wollte bei den arrgoganten und chauvinistischen Ungarn bleiben, und alle politischen Veränderungen waren im Frühsommer 1920 längst vollzogen worden.

Das „ungarische Gebet“ aus der Zwischenkriegszeit nach 1918. In den Sprachen Ungarisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Polnisch. Es diente als Hülle für die Postkarte.
Das „ungarische Gebet“ aus der Zwischenkriegszeit nach 1918. In den Sprachen Ungarisch, Englisch,  Französisch, Deutsch, Italienisch, Polnisch. Es diente als Hülle für die Postkarte.
Quelle: Archiv Oschlies.

Gewaltiger Minderwertigkeitskomplex

Das hindert die Ungarn seit 90 Jahren jedoch nicht, Trianon zur „größten Tragödie Ungarns im 20. Jahrhundert“ zu stilisieren. So viel Überheblichkeit gegenüber Nachbarn kann wohl nur ein Volk aufbringen, das uneingestandenermaßen an einem gewaltigen Minderwertigkeitskomplex leidet. Dafür ist „Trianon“ die Chiffre, wie es vor 1920 „Mohacs“ war: Erinnerung an den 29. August 1526, als die Ungarn durch eigene Schuld eine Schlacht gegen die Osmanen unter Sultan Süleyman I. verloren und danach zum größten Teil im Osmanischen bzw. Habsburger Imperium verschwanden.

„Trianon“ ist eine einzige Heuchelei, im Grunde nicht zu vergleichen mit dem „Diktat von Wien“, das Tamás als sein rumänisches Pendant anführt. Rumänien hatte vor 1918 nur das „Vechiul Regat“ umfasst, das „Alte Königreich“ mit seinen Teilen Oltenien (Walachei) und Moldau. Nach der Weltkriegsniederlage Österreich-Ungarns und der Revolution in Russland nutzten die Rumänen in Transilvanien, der Bukovina, des Banats und Bessarabiens die historische Gelegenheit, sich auf plebiszitär-demokratische Weise von bisherigen territorialen Zugehörigkeiten zu lösen und sich mit den altrumänischen Regionen zu „Romania Mare“ (Groß-Rumänien) zu vereinigen.

Wiener Diktat – Revision von Trianon

Dieser Staat war eine Bereicherung Europas, in dem er nur zwei Feinde hatte: Ungarn und Sowjet-Russland, deren „Revisionismus“ den Bestand Rumäniens bedrohte.1940 kam das schwarze Jahr, das alle rumänischen Ängste in schlimmster Weise bestätigte. Auf Hitlers Druck musste Rumänien Ende Juni seinen östlichen Landesteil Bessarabien an Stalins Sowjetunion ausliefern und am 30. August diktierte Deutschland ihm im „zweiten Wiener Schiedsspruch“ die Herausgabe des nördlichen Transilvaniens an Ungarn. Erst von der Pariser Friedenskonferenz wurde dieser Landraub am 10. Februar 1947 rückgängig gemacht.
   
Das „Wiener Diktat“ von 1940 haben die Ungarn damals als berechtigte Revision von Trianon gefeiert, und an „Trianon“ erinnern sie am neuen „Tag der nationalen Zusammengehörigkeit“, der am Tag von Trianon, dem 4. Juni, begangen werden soll. Man zählt die in der Slowakei, Transilvanien, Vojvodina etc. lebenden ungarischen Minderheiten, kommt auf etwa 3,2 Millionen Angehörige, bindet diese per doppelter Staatsbürgerschaft an Ungarn und behandelt sie als entrechtete Bürger eines fiktiven „Groß-Ungarns“. Ihre Zahl ist weit übertrieben, da die Ungarn durch Migration, Suizid und Alkoholismus einem rapiden Schwund unterliegen. Transilvanien hingegen hatte seit Jahrhunderten eine rumänische Bevölkerungsmehrheit, gehörte aber zu „Ungarn“, das von einer „hochmütigen Aristokratie“ beherrscht wurde und die Rumänen „insgesamt aller Rechte beraubte und sie fürchterlich unterdrückte“.

Keine bürgerliche Mitte

So die historischen Befunde von Tamás, der auch an der Gegenwart vieles auszusetzen hat, vor allem den Umstand, dass es in Ungarn wie in Rumänien keine „bürgerliche Mitte“ gibt, in der sich „zivilisatorische, ökonomische, kulturelle und politischen Eliten“ herausbilden könnten. Das gilt insbesondere für die Ungarn in Rumänien, schätzungsweise 1,5 Millionen – davon gut die Hälfte altungarische „Szekler“, die am Budapester Chauvinismus wenig Gefallen haben -, die das Regime Viktor Orbán nichts kosten, von ihm auch nicht unterstützt, wohl aber in ihrer politischen Emanzipation planmäßig behindert werden.

Die transilvanischen Ungarn interessieren Budapest überhaupt nicht, behauptet Tamás und stützt seine Behauptung mit drastischen Beweisen: Da fördert man propagandistisches Getöse um die „Ungarische Autonome Region“ in Nordwest-Rumänien, die Bukarest vor einem halben Jahrhundert aus Angst vor sowjetischen Reaktionen auf ein „Überschwappen“ des ungarischen Volksaufstands zurückfuhr. Auf der anderen Seite lässt man es seelenruhig geschehen, dass die Universität der regionalen Hauptstadt Cluj nach dem Wiener Kaiser Franz Joseph benannt wird, als gäbe es dort keine ungarischen Lichtgestalten aus der Geschichte. Derartiges bestärkt die lokalen Rumänen in der Überzeugung, magyarische Dorfdeppen vor sich zu haben, die man nicht erstnehmen dürfe und könne. Und Krach ist angesagt, wenn jemand eine mehrsprachige Tafel „Willkommen in Cluj“ anbringen möchte.

Erfolgreichster ungarischer König: ein geborener Rumäne

Tamás fragt, wie Ungarn so nationalistisch werden konnten, dabei so wenig Eigenleistung vorzuweisen haben: Der wohl größte und erfolgreichste ungarische König war der geborene Rumäne Matei Corvin (1443-1490), der in einer Zeit wirkte, als es noch gar keine „Nation“ gab und „natio Hungarica“ eine vage Umschreibung von katholischem Adel war. Corvin war einer von vielen Nicht-Ungarn, die Karriere machten, wobei ihre „rumänische“ Herkunft niemanden interessierte, sie selber am wenigsten.

Als man im 20. Jahrhundert die Geschichte ethnozentrisch aufarbeiten wollte, verhinderten ungarische Arroganz und „transilvanische Kurzsichtigkeit“ die Bestätigung eines transilvanischen Beitrags zur nationalen Kulturgeschichte Ungarns. In diesem Streit waren die Rumänen lachende Dritte, die mit der Theorie ihrer dako-rumänischen Kontinuität seit urbalkanischen Anfängen aufwarteten.

In postkommunistischen Zeiten müssen die transilvanischen Ungarn damit leben, von Budapest als „schlechte Ungarn“ verachtet und politisch aufgesplittert zu werden: „Zwei ungarische Parteien in Rumänien“ – nämlich die „Demokratische Union der Ungarn in Rumänien“ (UDMR) und die „Volkspartei der transilvanischen Ungarn“ (PPMT) – „bedeuten, dass es gar keine gibt“ (Tamás). Mehr will man ja auch nicht, nur diese Ungarn als ständiges Druckmittel gegen rumänische Politik und Politiker einsetzen. Im Grunde gibt es kein „ungarisches Problem“ in Rumänien (und umgekehrt), sondern nur politische Machtkämpfe und die Machinationen willfähriger Intellektueller, die nicht ausreichend Kritikfähigkeit und Charakter besitzen.

Feindselige Absurdität

Tamás höhnt: Die letzte rumänische Partei, die so etwas wie freundschaftliches Empfinden für Ungarn aufbrachte, war die Rumänische Kommunistische Partei vor 1944, als diese illegal war und nur wenige hundert Mitglieder zählte. Seither verbreitet sich feindselige Absurdität, beginnend mit der „antiungarischen Manie“ des rumänischen Diktators Ceausescu, die ihren Schöpfer lange überlebt hat und bis heute besteht.

Budapest gibt den Ungarn in Rumänien die ungarische Staatsbürgerschaft, fördert damit rumänisches Misstrauen gegenüber angeblichem ungarischem Separatismus. Der aber ist überhaupt nicht möglich, da es keine Region gibt, in der die Ungarn auch nur die Hälfte der Bevölkerung stellten. Und niemand kann oder will auf rumänischer Seite registrieren, dass Budapest seinen Landsleuten in Rumänien keine politischen Bemühungen oder Wahlkämpfe um Sitze im ungarischen Parlament erlaubt. Mehr noch: Die neuen Rechtsextremen aus Budapest kriegen unter transilvanischen Szeklern kein Bein auf den Boden und sabotieren deshalb faktisch deren Bemühungen um territoriale Autonomie.

Die EU schweigt und lässt es regungslos geschehen

Alles könnte anders sein, aber die „aktuelle politische Klasse“ beider Länder ist unfähig zu Veränderungen, weil sie deren Vorteile, die langfristigen wie die augenblicklichen, nicht zu erkennen vermag. Sie traut ihren jeweiligen Völkern nichts zu, das den engen Rahmen des eigenen Nationalstaats überstiege. Man bauscht in Rumänien ein fiktives „ungarisches Problem“ auf, in Ungarn umgekehrt, fördert damit den eigenen Machterhalt und „neutralisiert“ soziale und moralische Unruhen, die aus selbstgemachten Krisen resultieren. In Ungarn regiert seit den Wahlen vom April 2010 Viktor Orbáns „Ungarischer Bürgerbund“ (FIDESZ), der über 262 von insgesamt 386 Parlamentssitzen verfügt. Das Orbán-Regime hat die Pressefreiheit in Ungarn faktisch abgewürgt, aber im April 2011 eine neue Verfassung lanciert, die als neues „Staatsziel“ proklamiert, „Ungarn von Neuem groß zu machen“.

Frühere ungarische Regierungschefs wie Gyurcsány 2006 haben die Ungarn rundheraus belogen, wenn es um die desaströse Wirtschaftslage ging, und EU und IWF betrogen, um den Staatsbankrott Ungarns zu verhindern. Orbán hat politische und administrative Vorkehrungen dagegen getroffen, dass die sich vertiefende Krise Ungarns auch nur bekannt, geschweige denn behoben würde. Die EU schweigt dazu und lässt es regungslos geschehen, dass ihr Mitgliedsland Ungarn in eine rechtsautoritäre Diktatur schliddert. Stattdessen übt Brüssel sich in unbegründeten Ausfällen gegen Rumänien und Bulgarien, denen es ohne Ursache und Beweise Mängel und schwere Versäumnisse in der Justiz, bei der Bekämpfung von Korruption etc. vorwirft und ihnen die „Reife“ für einen Beitritt zum Schengen-Abkommen abspricht.

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