09.08.2023 13:11:56
BAKU-TIFLIS-CEYHAN-PIPELINE
Von Rizvan Nabiev
EM – Seit Mitte der 1990er Jahre wird heftig gestritten, durch welche Pipelines das kaspische Erdöl auf den Weltmarkt transportiert werden soll. Für den Export von kleineren Mengen von bis zu fünf Millionen Tonnen pro Jahr wurden bereits Ende der neunziger Jahre zwei Ölleitungen ans Schwarze Meer in Betrieb genommen: eine über Rußland ( Baku-Noworossijsk) und die andere über Georgien (Baku-Supsa ). Zur Ausfuhr des sogenannten „Hauptöls“ in einer Höhe von etwa 50 Millionen Tonnen wurden bis zum Jahr 2000 verschiedene Pipelineprojekte diskutiert: via Iran, durch Armenien oder Georgien, über die Türkei oder Rußland. Beschlossen wurde letztendlich Ende 1999 der Bau einer Pipeline von Baku über Georgien an die türkische Mittelmeer-Küste. Sie bietet die geographisch günstigste Anbindung an den europäischen und nordamerikanischen Markt.
Keines der ölreichen Länder am Kaspischen Meeres verfügt über einen direkten Zugang zum offenen Meer und damit zu den Weltmärkten. Dies führte nach dem Zerfall der UdSSR zu massiven Gegensätzen zwischen Moskau, das bis dahin das Transportmonopol für alle kaspischen Bodenschätze inne hatte, und den anderen kaspischen Staaten. Zusammen mit den involvierten multinationalen Konzernen sind sie bis heute daran interessiert, das russische Transportmonopol aufzuheben und Transportwege zu erschließen, die das russische Staatsgebiet aussparen. Die Entscheidung für oder gegen neue Exportrouten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den komplizierten politischen Konstellationen im Kaukasus-Raum und vor allem mit den zahlreichen regionalen Krisenherden.
Der jeweilige Standpunkt über Wirtschaftlichkeit und die geeignete Streckenführung von Ausfuhrwegen des kaspischen Erdöls wird massiv von den geopolitischen Interessen der beteiligten Staaten beeinflußt. Unter Berücksichtigung der geographischen Lage und der außenpolitischen Konstellationen werden ökonomische, politische und ökologische Faktoren in Planungsvorhaben mit einbezogen. Die Entscheidung über die mögliche Exportrichtungen der kaspischen Energieressourcen hat weitreichende Auswirkungen, die die politische Landschaft Eurasiens vom Balkan bis zur chinesischen Grenze beeinflussen wird.
Der Erdölbedarf steigt weltweit rapide an. Als potentielle Abnehmer kaspischen Erdöls kommen daher alle großen erdölimportierenden Länder in Europa, Süd- und Ostasien und in Nordamerika in Betracht. Bis zum Zerfall der UdSSR wurde das kaspische Erdöl traditionell über Pipelines zum Schwarzen Meer geleitet und von dort mit Tankern über das Mittelmeer zu den Abnehmerstaaten auf der ganzen Welt verschifft. Die Ölleitungen zum Schwarz-Meer-Hafen Noworossijsk verlaufen ausschließlich über das Territorium der heutigen Russischen Föderation und garantierten somit die russische Monopolkontrolle über den Handel mit kaspischem Öl. Das Weiterbestehen des russischen Pipelinemonopols würde das Investitionsinteresse der multinationalen Konzerne in den drei postsowjetischen Anrainerstaaten des Kaspischen Meers deutlich senken. Seit der Unabhängigkeit Aserbaidschans, Kasachstans und Turkmenistans ist der Aufbau zusätzlicher Exportwege daher ein Dauerthema der nationalen Eliten.
Die Verhandlungen und die Realisierung der Bauvorhaben nahmen fast ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch. Im September 1994 schlossen die Staatliche Ölgesellschaft Aserbaidschans (SOCAR) und ein internationaler Zusammenschluß von elf Ölfirmen aus sieben Staaten unter der Führung von British Petroleum/Amoco den sogenannten „Jahrhundertvertrag“ ab. Er beinhaltete die Erschließung von 800 Millionen Tonnen Erdöl aus den drei aserbaidschanischen Ölvorkommen Azeri, Chirag und Gunashly. Erst eine halbe Dekade später, im Jahr 1999, eröffnete Aserbaidschan die Rohrleitung von Baku ins georgische Supsa am Schwarzen Meer und brach mit dieser niedrigvolumigen Pipeline erstmals das russische Transportmonopol. Der Weitertransport des Erdöls mit Tankschiffen von Supsa ins Mittelmeer ist indes nur eingeschränkt möglich, weil die Meerengen der Dardanellen und des Bosporus nur eine begrenzte Anzahl an Schiffsdurchfahrten gestatten und von Supertankern gar nicht passiert werden können. Darüber hinaus steht zu befürchten, daß Rußland in politischen Krisenzeiten ob seiner beherrschenden Stellung im Ostteil des Schwarzen Meeres versucht sein könnte, die georgischen Häfen ihrer Kontrolle zu unterstellen.
So blieb die Aufgabe bestehen, neben den Erdölleitungen Baku-Noworossijsk und Baku-Supsa eine Pipeline mit möglichst großer Durchleitungskapazität zum Mittelmeer zu bauen. Ceyhan in der Türkei bot sich als geeigneter Zielhafen an. Der genaue Verlauf der Baku–Ceyhan-Rohrleitung war jedoch zunächst unklar.
Die Regierung in Baku wollte wegen der Okkupation eines Fünftels des aserbaidschanischen Territoriums von Armenien unbedingt verhindern, daß die Pipelineroute über armenisches Territorium verlegt wird, auch wenn dies die ökonomisch effizienteste Variante gewesen wäre. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Erdölleitung von Baku aus über iranisches Gebiet in das türkische Ceyhan zu führen. Diese transiranische Variante wird gemeinhin aus politischen und sicherheitspolitischen Gründen abgelehnt, obwohl auch sie als ökonomisch besonders rentabel gilt. Einerseits ist die Einbeziehung des Irans in große Transportprojekte wegen der Nahost-Politik der USA nicht realisierbar, andererseits wird vor einer möglichen politischen Instrumentalisierung der Pipeline durch die Führung in Teheran gewarnt. So fiel schließlich die Entscheidung zugunsten der Leitung Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC), obwohl dies die längste und aufgrund der zu überwindenden Gebirgszüge die teuerste Route ist. Armenisches Staatsterritorium wird bei dieser Variante umgangen.
Nach Fertigstellung der knapp drei Milliarden US-Dollar teuren Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline wird das aserbaidschanische Erdöl in einem Umfang von 50 Millionen Tonnen jährlich ans Mittelmeer gepumpt. Die Gesamtlänge der Rohrleitung beträgt 1.765 Kilometer, was etwa der Strecke München – Hamburg – München entspricht. Der Streckenverlauf und die Kostenbeteiligung verteilen sich wie folgt auf die drei Länder: Aserbaidschan 440 Kilometer, 800 Millionen US-Dollar; Georgien 244 Kilometer, 565 Millionen US-Dollar; die Türkei 1081 Kilometer, 1,4 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: Die Baukosten der russisch-kasachischen Tengiz-Noworossijsk-Pipeline mit einer Länge von 1.580 Kilometern und einer Jahreskapazität von 28 Millionen Tonnen Erdöl betrug etwa 2,6 Milliarden US-Dollar.
Für die Finanzierung der BTC-Leitung wurde ein Firmenkonsortium gegründet, welches 30 Prozent der Gesamtkosten übernimmt. Der Rest soll von internationalen Finanzinstitutionen getragen werden. In dem Konsortium sind neben sieben Ölkonzernen des „Jahrhundertvertrages“ (die britisch-amerikanische BP/Amoco mit 30,1 Prozent die aserbaidschanische SOCAR 25 Prozent, die amerikanische Unocal mit 8,9 Prozent, die norwegische Statoil mit 8,71 Prozent, die türkische TPAO mit 6,53 Prozent, die japanische Itochu mit 3,4 Prozent und die saudisch-amerikanische Delta/Hess mit 2,36 Prozent) auch vier Aktionäre des riesigen kasachischen Ölprojektes „Kashagan“ beteiligt. Sie halten rund 15 Prozent der Gesamtaktien des BTC-Konsortiums.
Seitdem der Bau der BTC-Pipeline am 18. September 2002 beschlossen wurde, sind 40 Prozent der Arbeiten vollzogen und eine Milliarde US-Dollar ausgegeben worden. Anfang des Jahres 2005 soll die Rohrleitung fertiggestellt sein. Nach der Amortisierung der Investitionskosten, wird Aserbaidschan gemäß dem Abkommen von Baku (17. Oktober 2000) die volle Kontrolle und Verwaltung der Pipeline übertragen.
Für ein solches strategisches Projekt ist das Zusammenwirken von politischen, ökonomischen und ökologischen Faktoren insgesamt wichtiger als allein die Gewährleistung ökonomischer Rentabilität. Dies hob auch der US-Sondergesandte für die kaspische Region Steven Mann hervor: „Wir haben niemals behauptet, daß die Sache nur vom ökonomischen Standpunkt aus entschieden wurde. Es geht darum, daß die Förderländer ein großes Maß an Unabhängigkeit erlangen. Dennoch wird das Konsortium die Milliarden solange nicht riskieren, bis es seriöse Angaben bezüglich der Erdölreserven (Aserbaidschans, R.N.) erhält „( Eurasianet, 19.06.2002 ).
Trotz der gegenteiligen Ansicht vieler Nichtregierungsorganisationen schätzen zahlreiche Handels- und Investitionsexperten das Pipelineprojekt als wirtschaftlich rentabel ein, da seine ökonomische Effizienz mehr als 12,5 Prozent beträgt. Für die Mitgliedsfirmen des BTC- Konsortiums wurde der Transittarif der Ölleitung auf eine Höhe von 3,30 US-Dollar pro Barrel festgeschrieben. Firmen, die nicht Mitglied sind, müssen natürlich mehr bezahlen. Das aserbaidschanische Erdöl der Marke „Azeri Light“, das durch die BTC-Leitung nach Ceyhan exportiert wird, kostet inklusive der Erschließungs- und Verladeausgaben 7,5 US-Dollar pro Barrel. Das Konsortium „Azerbaidjan International Operation Company“ (AIOC) und SOCAR sind fest überzeugt, daß Azeri Light sogar mit OPEC-Öl konkurrieren könnte, wenn der Weltmarktpreis für Öl auf 15 US-Dollar pro Barrel fallen würde.
Für Anfang 2004 wird erwartet, daß die kasachische und aserbaidschanische Regierung ein Abkommen über den Einstieg Kasachstans in das BTC-Projekt paraphieren. Dadurch könnte die ökonomische Effizienz und die strategische Bedeutung des Projektes noch gesteigert werden. A us der kasachischen Hafenstadt Aktau kann Erdöl auf zwei Wegen nach Baku transportiert werden: mit Tankschiffen oder über eine 450 Kilometer lange Unterwasserpipeline durch das Kaspische Meer. Der bis heute nicht geregelte rechtliche Status des Kaspischen Meeres macht den Bau einer solchen Unterwasserleitung jedoch sehr unwahrscheinlich (Vgl. Rizvan Nabiev: „Wem gehört das Kaspische Meer?“, EM 09/03).
Die Erdölleitung von Baku nach Ceyhan ist ein wichtiger neuer Exportweg vom Kaspischen Becken zu den Weltmeeren. Die BTC-Pipeline ist die beste Alternative zu den vielbefahrenen Meerengen des Marmarameeres. Sie reduziert die Gefahr eines ökologischen Desasters infolge eines Tankerunglücks in unmittelbarer Nähe der 12 Millionen-Metropole Istanbul. Die Verladekapazität des Umschlaghafens Ceyhan ist mit 150 Millionen Tonnen pro Jahr im Vergleich zu den Häfen Noworossijsk (Rußland), Burgas (Bulgarien) oder Konstanza (Rumänien) deutlich größer. Er verfügt über eine bessere technische Ausstattung und kann seinen Betrieb unabhängig von der Wetterlage das ganze Jahr über aufrechterhalten. Ferner garantiert die BTC-Leitung eine hohe Qualität und Konkurrenzfähigkeit des aserbaidschanischen Erdöls auf dem Weltmarkt. Nach Berechnungen der Spezialisten von SOCAR würde Aserbaidschan und die beteiligten Unternehmen beim Erdöltransport über die Baku-Noworossijsk-Pipeline pro Barrel 1,5 bis zwei US-Dollar verlieren, da das leichte und qualitativ hochwertige aserbaidschanische Öl im Hafen von Noworossijsk oftmals mit russischem oder kasachischem Erdöl geringerer Güte vermischt wird.
Die Baku-Ceyhan-Pipeline birgt allerdings auch einige Risiken. Einzelne Abschnitte der Rohrleitung führen über hohe Gebirge von bis 2700 Metern Höhe (!) in einer seismisch gefährlichen Zone. Die verheerenden Erdbeben in der Türkei (1998, 1999, 2000 und 2001) verstärken die ökologischen Bedenken gegenüber der BTC-Ölleitung. Die Pipeline passiert mehr als 1500 Flüsse und verläuft in einer Entfernung von nur neun Kilometern an der denkmalgeschützten historischen Ortschaft Gobustan bei Baku, wo seltene antike Felsenmalereien erhalten sind. Das Umweltministerium Georgiens ist besorgt, da die Ölleitung ein Gefahrenpotential für die Mineralwasserquellen von Borjomi darstelle, von denen sie nur 17 Kilometer entfernt verläuft. Der Genehmigung zum Bau des georgischen BTC-Abschnitts gingen lange Auseinandersetzungen zwischen georgischen Umweltschützern und British Petroleum voraus. Erst nach der Intervention hochrangiger Vertreter Aserbaidschans, der Türkei und der USA und nach Versicherungen von BP über die Verstärkung der ökologischen Sicherheitsmaßnahmen konnte der Bau der Pipeline durch Georgien am 30.11.2002 beschlossen werden.
Für die Sicherheit der Pipelines zu sorgen, obliegt dem jeweiligen Transitland. In Aserbaidschan wurde zu diesem Zweck eine Kommission unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten der Republik eingerichtet. Auch Unterstützung von Außen wird immer wieder von Politikern gefordert. D er Präsident der Georgischen Internationalen Erdölkorporation Canturiya schlug vor, für die Sicherheit der Pipeline sollten NATO-Truppen eingesetzt werden (Vgl. DEN, Kiew, 03.09.2002; Media-Press, Baku 15.03.2002).
„Es wird die Zeit kommen, daß die Pipeline Baku-Noworossijsk in umgekehrter Richtung genutzt wird“, ist der Präsident von SOCAR Natiq Alijew überzeugt (Zerkalo, Baku 25.01.2002). Russisches Erdöl werde dann über Baku nach Ceyhan transportiert, da die Kapazitäten russischer Ölleitungen in absehbarer Zeit ausgeschöpft sein dürften.
Aber noch aus einem anderen Grund profitiert Rußland vom Bau der BTC-Rohrleitung. Nach Meinung vieler unabhängiger Experten würde das kaspische Erdöl, wenn es durch die von der russischen Regierung favorisierte Noworossijsk-Pipeline exportiert würde, auf Grund seiner höheren Qualität das russische Öl aus seinen traditionellen Märkten in Osteuropa verdrängen. Der Vize-Chef von LUKoil Leonid Fedun rechnet im Falle des Exports kaspischen Erdöls nach Osteuropa gar mit einem Preisrückgang von bis zu drei US-Dollar pro Barrel russischen Erdöls (Media-Press, 02.05.2002). So liegt es also durchaus im ökonomischen Interesse der Russischen Föderation, wenn das kaspische Erdöl über das Mittelmeer zu anderen Absatzmärkte verbracht wird. Die Ursache für die ablehnende Haltung Rußlands zur BTC-Pipeline offenbart sich vor diesem Hintergrund als eindeutig politisch motiviert.
Durch die Realisierung der BTC-Pipeline bekommt Aserbaidschan nicht nur eine von Rußland unabhängige Transportroute für den Export seines Erdöls, sondern erhält auch die Möglichkeit, sein Erdgas in die Türkei zu liefern. Entlang der Trasse der BTC-Erdöleitung soll nämlich die BTE-Gaspipeline entstehen, die von Baku über Tiflis ins osttürkische Erzurum führen soll. Da sich die vertragliche Absicherung der Abnehmerfrage in der Gasbranche schwieriger gestaltet als in der Erdölbranche, – dies belegen beispielsweise die schlechten Erfahrungen Turkmenistans mit dem russischen Gasgiganten Gazprom – stellt die Türkei nicht nur einen wichtigen Abnehmerpartner dar, sondern ist wegen ihrer geographischen Lage zudem ein wichtiges Transitland für den Gasexport nach Europa. Nach einem türkisch-griechischen Plan sollen ab 2009 bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Gas von der Türkei über Griechenland auf den Balkan und nach Italien und Frankreich geliefert werden. So wird es möglich sein, die Monopolstellung der russischen Gazprom bei Pipelinenetzen im ost- und südosteuropäischen Markt aufzubrechen. Rußland hingegen versucht unter der Führung von Präsident Putin eine Gasallianz der GUS-Staaten im Stile der OPEC ins Leben zu rufen (Vgl. Rizvan Nabiev : „Eurasische Gasllianz oder Südeuropäischer Gasring?“, EM 07/03).
Ab dem Jahr 2005 wird Aserbaidschan über eine moderne Infrastruktur zum Vertrieb seiner Ölvorräte verfügen: die drei Erdölleitungen Baku-Supsa, Baku-Noworossijsk und Baku-Tiflis-Ceyhan, sowie die Gaspipeline Baku-Tiflis-Erzurum. Die Integration des kleinen Landes in das europäische Wirtschaftssystem kommt damit einen großen Schritt voran. Aber nicht nur Aserbaidschan, sondern alle Staaten der kaspischen Region werden je nach politischen Standpunkt und Kooperationswillen von diesen Pipelineprojekten profitieren. Eine Ausnahme bildet hier allerdings Armenien, das noch immer 20 Prozent des aserbaidschanischen Territoriums militärisch besetzt hält und sich bislang allen Initiativen verweigerte, über eine Friedensregelung mit Aserbaidschan zu verhandeln. (Vgl. Rizvan Nabiev : „ Stabilitätspakt für den Kaukasus “, EM 08/03). Eine Einbeziehung Jerewans in die energiepolitischen Projekte Aserbaidschans ist aus diesem Grund wohl auszuschließen.
Die geplanten Erdöl- und Erdgaspipelines bewirken vorrangig eine transportpolitische Neuordnung der kaukasisch-zentralasiatischen Region und der Staatenwelt des Schwarzen Meeres und des Mittelmeers. Die unmittelbaren Nutznießer dieser neuen geopolitischen Ordnung, die Länder des Südkaukasus und Zentralasiens, erlangen einen direkten Zugang zum offenen Meer und so die Möglichkeit, ihre Rohstoffe auf diversifizierten Exportwegen zu vermarkten. Das seit Jahrzehnten bestehende russische Transportmonopol wird dadurch erschüttert. Es werden neue Rahmenbedingungen für die Intensivierung der handels- und wirtschaftspolitischen Beziehungen in der Region, sowie zwischen Europa und Asien entstehen.
Durch die im Bau befindlichen BTC-Erdölleitung und die BTE-Gaspipeline werden aber auch die Bezugsquellen für Energie in den beiden Transitländern Georgien und der Türkei erweitert. Insbesondere die Abhängigkeit Georgiens von der Versorgung mit russischen Energieressourcen und das damit verbundene Risiko politischer Erpreßbarkeit wird dadurch entscheidend abgeschwächt.
Das neugeschaffene verzweigte Pipelinenetz wird neben ökonomischen auch politische und sicherheitspolitische Vorteile mit sich bringen. Die Unabhängigkeit der südkaukasischen und mittelasiatischen Staaten wird gefestigt, die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten erleichtert und eine friedliche Lösung der regionalen Konflikte und Krisen befördert. Denn erstens hebt die Pipelineanbindung den Wohlstand in den Kaukasus-Ländern und zweitens wird sich der Druck der beteiligten Kapitalgeber zumindest in bezug auf die Sicherung des Friedens positiv auswirken. Ihr Interesse ist es ja, die politischen Verhältnisse möglichst stabil zu halten.
Die über das Öl-, Gas- und Transportgeschäft intensivierten ökonomischen und politischen Beziehungen könnten unter den südkaukasischen Staaten, die global betrachtet als Einzelne einen recht unbedeutenden Investitionsstandort und Absatzmarkt bilden, regionale Integrationsbemühungen anregen. Das sukzessive Zusammenwachsen dieser Saaten zu einem gemeinsamen Markt wird mithin wahrscheinlicher. Eine anhaltende Kooperation in der Erdölwirtschaft mit den USA, der Türkei und den europäischen Staaten wird die südkaukasischen Staaten in die politischen und ökonomischen Strukturen des Westens hineinwachsen lassen.
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