„Wohin steuert Nordkorea? Soziale Verhältnisse, Entwicklungstendenzen, Perspektiven“, von Rainer Werning (Hg.)GELESEN

„Wohin steuert Nordkorea? Soziale Verhältnisse, Entwicklungstendenzen, Perspektiven“, von Rainer Werning (Hg.)

PapyRossa Verlag, Köln 2004, Band 55 der Hochschulschriften, 161 Seiten, ISBN 3-894-38309-7, 15,00 Euro

Von Eberhart Wagenknecht

„Wohin steuert Nordkorea? Soziale Verhältnisse, Entwicklungs-tendenzen, Perspektiven“, von Rainer Werning (Hg.)  
„Wohin steuert Nordkorea? Soziale Verhältnisse, Entwicklungs-tendenzen, Perspektiven“, von Rainer Werning (Hg.)  

EM – Der Herausgeber Rainer Werning ist Politikwissenschaftler und Publizist. Seit Herbst letzten Jahres steht er dem Koreaverband e.V. in Köln vor. In dem von ihm herausgegebenen Band werden Beiträge internationaler Experten abgedruckt, die sich mit der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea und ihrem politischen Kurs befassen.

Bei dem Band handelt es sich im Wesentlichen um die Dokumentation eines im Sommer 2003 abgehaltenen Symposiums. Damals hatten Angehörige der politischen Eliten in den USA allen ernstes überlegt, ob die Vereinigten Staaten nach dem Irakkrieg auch Nordkorea mit Waffengewalt in die Knie zwingen sollten.

Das kommunistische Nordkorea hatte im Dezember 2002, im Vorfeld des Irakkrieges der USA, angekündigt, sein 1994 eingestelltes Atomwaffenprogramm wieder aufzunehmen. Seither gab und gibt es unterschiedliche Signale aus der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, mal Drohgebärden, mal scheinbare Verhandlungsangebote.

Prof. Song Du-Yul, Soziologe an der Universität Münster, analysiert sehr fundiert „Nordkoreas Wirtschaftslage und die sozio-politischen Folgen.“ Song ist in Südkorea geboren und wurde im März 2004 in Abwesenheit während eines Schauprozesses in Seoul zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Verstoßes gegen das „Nationale Sicherheitsgesetz“ verurteilt.

Anders als in China gibt es in Nordkorea immer noch starre Planwirtschaft

Nordkorea, so Song, werde durch das Vorgehen der USA im Irak in seiner Politik der militärischen Stärkung des Landes bestärkt. (Siehe dazu auch das Interview mit Dr. Götz Neuneck in dieser Ausgabe). Die Politik Pjöngjangs halte eisern an der Prämisse „Armee zuerst“ fest. Auch wenn es dafür rund 30 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufwenden müsse.

Für die Armut des Landes macht Song neben der hohen Militärausgaben auch die schleppenden wirtschaftspolitischen Reformen verantwortlich. Anders als in China gäbe es in Nordkorea immer noch eine starre Planwirtschaft, keine Eigentumsrechte der Bürger, keine soziale Selbstverantwortung und auch keine Öffnung des Binnenmarktes nach außen. China tauge aber heute nur bedingt als Vorbild, weil es mit seinen Reformen bereits 1978 unter Deng Xiao-ping begonnen habe, als die weltwirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen noch ganz anders ausgesehen hätten als heute. Das „Sozialistische Lager“ sei damals wirtschaftlich und politisch noch ein gewichtiger Gestaltungsfaktor gewesen. Nordkorea hinke so sehr hinter allen Entwicklungen her, daß es dafür jeden Tag bestraft werde. Hinzu komme, daß China am Beginn seiner Reformen noch ein ausgesprochenes Agrarland gewesen sei, während Nordkorea bereits ein „realtiv hochindustrialisiertes Land mit autarker Basis“ sei. Dies mache die Situation noch komplizierter. Nicht zuletzt werde der „Spätzünder“ Nordkorea auch durch eine äußerst rigide Wirtschaftsblockade der USA und seiner Verbündeten daran gehindert, seine Situation zu verbessern. Eine Möglichkeit, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen, sei derzeit nicht in Sicht.

Ein weiterer sehr interessanter Beitrag stammt von einem ranghohen Vertreter der USA. Präsident Clintons ehemaliger Verteidigungsminister William J. Perry wird im Anhang mit seiner „Review of United Staates Policy Toward North Korea: Findings and Recommendations“ zitiert. Er redet zwar auch einer Art Schurkenstaaten-Theorie das Wort, aber doch nicht in der Radikalität wie sie von der Bush-Administration verfochten wird.

Eine harte Abrechnung mit der Korea-Politik der USA stammt von Prof. Bruce Cumings, der an der Universität von Chicago Geschichte lehrt. Er gilt als einer der herausragendsten Korea-Experten in den Vereinigten Staaten. Durch die kompromißlose Politik Washingtons könne der atomare Krisenherd Nordkorea nicht befriedet werden. Die USA müßten Pjöngjang ernst nehmen und ihm die Möglichkeit aufzeigen, seine Isolierung zu überwinden ohne gegenüber seiner eigenen Bevölkerung das Gesicht und damit die Macht zu verlieren.

Der Beitrag zum grundlegenden Verständnis der Situation des in einen Nord- und einen Südteil gespaltenen Koreas stammt vom Herausgeber Rainer Werning. Seine Darstellung der „koreanischen Perspektiven“ erhellt den Hintergrund der Geschichte und der Gründe für die Teilung. Als Folge des Koreakrieges (1950-53) war Südkorea von US-Truppen besetzt worden, Nordkorea gehörte zur Einflußsphäre der kommunistischen Machtzentren Moskau und Peking. Heute ist Pjöngjang neben Kuba der einzige noch immer starr kommunistisch verfaßte und nach außen abgeschottete Staat der Erde

Nordkorea ist nicht zuletzt deshalb eines der unbekanntesten Länder auf diesem Globus. (Vgl. dazu auch EM 01-03 „Nachrichten aus einem unbekannten Land“). Deshalb ist man als Leser sehr dankbar für den siebenseitigen Steckbrief Nordkoreas, den Rainer Werning im Anhang veröffentlicht.

Alles in allem ein sehr materialreiches Buch, das allerdings nicht gerade zum Lesen einlädt. Es handelt sich bei den Beiträgen eben um typische Vortragstexte, die keineswegs in einem immer erkennbaren Zusammenhang stehen, auch wenn sie sich alle mit dem Überthema Nordkorea befassen. Hilfreich wäre ein Stichwort-Register gewesen, doch darauf wurde wohl der Einfachheit halber verzichtet.

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