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13.09.2013
EM - Während Farbrevolutionen in einigen Ländern Eurasiens einen abrupten Wandel zu „demokratischeren“ Verhältnissen erzwangen – in der Ukraine die Orange-Revolution, in Georgien die Rosen-Revolution und in Kirgisien die Tulpen-Revolution - gehen in Russland die Veränderungen ganz langsam, ohne schroffe Brüche vor sich. Brian Whitmore von Radio Free Europe verwendet für diesen Prozess den Begriff „Tortoise-Revolution“, was so viel heißt wie heißt „Schildkröten-Revolution“. Während der Massendemonstrationen 2011/2012, als die Menschen in Moskau und anderen Städten Russlands gegen das Regime Wladimir Putins, gegen willkürliche Verhaftungen, Repressionen aller Art und Wahlbetrug auf die Straße gingen, hatte man manchmal den Eindruck, eine neue Farbrevolution stände bevor.
Jedoch war es gerade das, was Präsident Putin mit seinem Machtapparat um jeden Preis verhindern wollte. Darauf änderte sich die Taktik der Protestgruppen: Liberale Politiker agieren nun zunehmend in den Institutionen, in Stadt und Regionalparlamenten, in der Wirtschaft und in den Medien, arrangieren sich mit dem Kreml und nehmen nicht ohne Erfolg an Wahlen teil.
Am 8. September konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Wahlen in Moskau, wo Oppositionsführer Alexei Nawalny gegen den amtierenden Bürgermeister Sergei Sobjanin mit erstaunlichem Erfolg antrat. Nawalny verlor zwar die Wahlen, stand aber mit der beachtlichen Stimmenzahl von 27 Prozent an zweiter Stelle. Die Mehrheit von 51 Prozent für den vom Kreml gedeckten Sobjanin wird aus gutem Grund angezweifelt, und man vermutet, dass Sobjanin unter 50 Prozent, Nawalny hingegen mehr, nämlich 36 Prozent erhielt.
Dem Achtungserfolg in Moskau folgte ein tatsächlicher Durchbruch in der Millionenstadt Jekaterinburg, wo ein anderer charismatischer Oppositionsführer Jewgeny Roisman effektiv die Mehrheit erhielt. Auch in anderen Städten und Regionen verzeichnete die liberale Opposition beachtliche Erfolge.
Gegen den verknöcherten Machtapparat des Kreml setzt sich in kleinen Schritten ein immer wieder mobilisierbares Netzwerk von jungen gebildeten und engagierten Leuten durch. Nawalny und Roisman stützten sich weniger auf die zerstrittenen Splitterparteien der Opposition, sondern auf ein Heer von Zehntausenden von Helfern, die bei spontanen Protestaktionen zur Stelle waren, beim Wahlkampf halfen und als Wahlbeobachter fungierten.
Nawalnys Leute bildeten sogar eine eigene „Volkswahlkommission“, die die offiziellen Zählungen und Resultate überprüfte und immer wieder Wahlbetrug konstatierte. Auch stehen der Opposition neben dem Internet weitere Medien zur Verfügung, darunter der unabhängige Sender „Dozhd-TV“, über den eigene Erfolge und Gegenaktionen des Regimes verbreitet werden können. Man muss in Russland Geduld haben, jedoch den von einem selbstbewussteren Bürgertum und der Jugend forcierten Wandel kann der Kreml auf Dauer kaum verhindern. Siehe Brian Whitmore, The Tortoise Revolution, RFE/RL, 11. September 2013.
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