EM 16.01.2014 - Nur 30 Minuten dauerte die Sitzung des Parlaments der Ukraine, die schon jetzt von vielen in der Ukraine als „Schwarzer Donnerstag“ bezeichnet. Trotz blockierter Tribüne beschloss eine Mehrheit aus der Janukowytsch-Partei „Partei der Regionen“ und Kommunisten ohne Lesung, Aussprache oder Wortmeldungen per Handzeichen den Staatshaushalt 2014 und eine ganze Reihe von Gesetzen. Mehr als 100 Änderungen waren im Staatshaushalt vorher vorgenommen worden, die keine der anwesenden Abgeordneten überhaupt gelesen hatte.
Wie hoch das Haushaltsdefizit der Ukraine nach diesem Haushalt sein wird, ist bisher ungeklärt. Der Staatshaushalt gilt in der Ukraine als Hauptquelle der Bereicherung für Politiker und Beamte.
Die weiteren beschlossenen Gesetze vom 16.01.2014 richten sich offen gegen die Proteste des Euromaidan, gegen Zivilgesellschaft und Opposition:
- Es dürfen keine Informationen mehr über Richter oder ihre Angehörigen gesammelt oder verbreitet werden. (Richter gelten in der Ukraine als besonders korrupt und entscheiden in fast allen Fällen für das Regime.)
- Kolonnen von mehr als fünf Fahrzeugen dürfen ohne Genehmigung der Behörden nicht auf den Straßen der Ukraine fahren. (Der „Automaidan“ war in den letzten als Bewegung von Autofahrern entstanden, die mit Kolonnenfahrten und Blockaden gegen das Regime protestieren.)
- Für „Extremismus“ und „Verbreitung von extremistischem Material“ gilt jetzt das Strafrecht. „Extremismus“ kann von den Behörden der Ukraine dabei willkürlich definiert werden.
- Für „Beleidigung“ gilt das Strafrecht. Auch hier steht die Tür für Willkür weit offen.
- Für die Blockierung von staatlichen Gebäuden gilt jetzt das Strafrecht und es drohen Haftstrafen. (Die Aktivisten des Euromaidan halten die Stadtverwaltung Kiew und das Haus der Gewerkschaften in friedlichen Protesten besetzt.)
- Mit einer einfachen Mehrheit kann in einem vereinfachten Verfahren die Immunität von Abgeordneten des Parlaments aufgehoben werden und sie können strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. (Abgeordnete der Opposition nutzen ihre Immunität seit Beginn der Proteste, um die Protestierenden vor der Polizei zu schützen oder sich zwischen Protestierende und Polizei zu stellen.)
- Der ukrainische Staat kann Zugang zu beliebigen Internetseiten sperren. Sim-Karten für Mobiltelefone dürfen nur noch gegen Vorlage eines Passes verkauft werden. (Information und Koordination der Proteste des Euromaidan läuft vor allem über Internet. Mobilfunk und soziale Medien.)
- Infomationen auf Internetseiten dürfen nur noch mit staatlicher Lizenz verbreitet werden.
- Ukrainische Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, werden künftig als „ausländische Agenten“ bezeichnet.
- Ukrainische Nichtregierungsorganisationen und Kirchen dürfen sich nicht an „extremistischer Tätigkeit“ beteiligen.
- Ukrainische Nichtregierungsorganisationen dürfen keine Tätigkeiten ausüben, die als politische Einflussnahme gelten könnten.
- Für „massenweise Unruhen“ drohen Haftstrafen von 10-15 Jahren. (Davon wären alle Teilnehmer des Euromaidan betroffen.)
- Gerichte können Urteile in Abwesenheit der Verurteilten sprechen.
Die vom Parlament der Ukraine beschlossenen Gesetze treten in Kraft, wenn Präsident Janukowytsch sie unterschreibt.
Unabhängig vom Inhalt dieser Gesetze weisen Oppositionspolitiker und zahlreiche Experten darauf hin, dass die Gesetze unter Verletzung einer ganzen Reihe von Regeln der Geschäftsordnung des ukrainischen Parlaments angenommen wurden.
Das Eurasische Magazin hat eine Chronik der Proteste in der Ukraine zusammengestellt.
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