Ausstellung Odin, Thor und Freyja bei den Wikingern, Archäologisches Museum FrankfurtEURASISCHE SPIRITUALITÄT

Bevor die Missionare kamen: Odin, Thor und Freyja bei den Wikingern

Ausstellung Odin, Thor und Freyja bei den Wikingern, Archäologisches Museum Frankfurt

Das Archäologische Museum Frankfurt am Main zeigt in einer Sonderausstellung in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen die Kultpraxis der paganen Religion Skandinaviens, unmittelbar vor der flächendeckenden Christianisierung. Vom 11. Februar bis 06. Juni 2017 gewährt die Schau faszinierende Einblicke in die heidnische Götterwelt und das Gemeinschaftsleben vor Einführung der dualistischen Jenseitsreligion.

Von EM Redaktion | 30.01.2017

Als die Götter noch bei den Menschen waren, regelten Odin, Thor und Freyja Kriegswesen, Ordnung und Fruchtbarkeit. Die Skandinavier kannten bis zur Christianisierung nicht jenen unsichtbaren, aber als allmächtig beschriebenen Gott im Jenseits, der von ihnen unbedingten Gehorsam verlangte, mit Hölle und ewiger Verdammnis drohte, wenn er nicht angebetet wurde. Die Wikinger, denen die großartige Ausstellung in Frankfurt gewidmet ist, kannten weder den Begriff der Sünde noch einen jenseitigen Gott „im Himmel“, der keinen anderen neben sich duldete. Odin, Thor und Freyja waren ihre vertrauten Göttergestalten.

„Erst mit der Taufe des Dänenkönigs Harald Gormsson (‚Blauzahn‘ – Bedeutung des Beinamens unklar) um 965 durch Kaiser Otto I. begann sich das Christentum im Norden durchzusetzen“, heißt es in der Abhandlung „Christianisierung – Missionierung“ des Ausstellungskatalogs.

Bronzefibel kämpfende Böcke –möglicherweise Tanngrísnir und Tanngnjóstr, die Thors Wagen zogen – aus Tissø (Seeland), 8. Jh. n. Chr., Foto Archäolog. Museum Ffm.Bronzefibel kämpfende Böcke –möglicherweise Tanngrísnir und Tanngnjóstr, die Thors Wagen zogen – aus Tissø (Seeland), 8. Jh. n. Chr., Foto Archäolog. Museum Ffm.

Das Christentum als Herrschaftsinstrument

König Harald war der erste Wikingerherrscher, der sich christlich taufen ließ. Er tat es, so die Vermutung der Historiker, aus politischem Kalkül. Das war seinerzeit die Motivation für eine ganze Reihe von Herrschern des Nordens, zum Christentum überzutreten. Die neue Religion mit ihrem Gehorsamsanspruch ließ sich trefflich als Herrschaftsinstrument einsetzen.

Im Katalog-Beitrag der Ausstellung über die Christianisierung wird auch eingeräumt, dass der „erste Missionsversuch des Angelsachsen Willibrord um 700 n. Chr. bei den ‚äußerst wilden‘ Dänen“ fehlgeschlagen sei. Und das obwohl er bei den bereits christianisierten Franken junge Missionare ausbilden hatte lassen. Katalogtext: „Er brachte [...] 30 Knaben ins Frankenreich mit, um sie christlich zu erziehen. 826 begleitete der Franke Ansgar den getauften Harald Klak auf seiner Rückreise nach Dänemark. Im jütländischen Ribe und im schwedischen Birka baute er Kirchen und missionierte, doch ohne dauerhaften Erfolg.“ Die Wikinger verachteten das Christentum, sofern sie seiner ansichtig wurden bzw. ihm begegneten.

Veranstaltungs-Logo der Sonderausstellung Odin, Thor und Freyja, Archäolog. Museum Ffm.Veranstaltungs-Logo der Sonderausstellung Odin, Thor und Freyja, Archäolog. Museum Ffm.

Als ein allmächtiger Gott im Himmel plötzlich das Sagen bekam

Es war schließlich der Adel (Harald“Blauzahn“), der sich dann zuerst taufen ließ und der sein Volk dem Christentum überantwortete. Damit wurde das Verhältnis der Nordländer zu ihren Göttern gezielt verändert. Während in ihrer heidnischen Welt die Natur selbst „heilig“ war und ihre Götter dort lebten, kam es nun zur dualistischen Trennung von Welt und Gott, von Geist und Natur. Nun musste ein jenseitiger, allmächtiger Gott angebetet werden.

Die alten Götter waren nicht „allmächtig“. Sie wurden auch nicht angebetet. Man versuchte,  sich ganz praktisch ihrer Hilfe zu versichern. Dafür wurden Opfer – meist Tieropfer – dargebracht. Aber die Verantwortung für alle ihre Taten trugen die Menschen vor der Christianisierung stets allein.

Fast alles, was von der skandinavischen Götterwelt überliefert ist, geht auf Schriften christlicher Missionare zurück. Vieles wurde selbstredend tendenziös und nicht gerade im Sinne der alten Ordnung überliefert.  Erst umfangreiche Ausgrabungen der letzten Jahre „ermöglichen jetzt ein tieferes Verständnis von Kultpraxis und Opferritualen der paganen Religion. Kultausübung war eng mit Adelsherrschaft verschränkt. Schon seit der Zeitenwende besaßen die großen Herrensitze und Residenzen eigene Kultareale mit Tempelbauten, in denen die zentralen Opfer vollzogen wurden. Die „Fürsten“ fungierten gleichzeitig als herrschaftliche Grundherren und als Kultleiter“, schreiben die Autoren der Ausstellungstexte. Wie die Menschen lange vor der Zeitenwende mit ihren Göttern gelebt haben, ist so gut wie unbekannt. Viele Bräuche waren auch ohne fürstliche Kultmeister schon vorher im Volk lebendig.

Was Odin, Thor und Freyja den Wikingern bedeuteten

Was die Götter Odin, Thor und Freyja den Wikingern bedeuteten und was römische Autoren und christliche Missionare überliefert haben, darüber gibt es  im Begleittext zur Ausstellung diverse Abhandlungen.

Odin war demnach vielgestaltig und er ist der Hauptgott der Edda-Mythologie, die in Island aufgeschrieben wurde, zum Teil aber bis auf Mythen der uralten Schwarzmeer-Hochkultur (bis zur Flut von 7500 vor der Zeitrechnung) zurückgeht. Odin hatte bei den Germanen seine Entsprechung in Wotan (Wodan). In der Wikingerzeit ist Odin der Gott des Krieges und der Krieger (Attribut: der Speer), der die Gefallenen in Walhall empfängt. Er gilt als Gott der Ekstase, Dichtkunst, Zauberei und Magie. Dies und seine Fähigkeit, in andere Welten zu schauen, Tiergestalt anzunehmen sowie seine Begleittiere (das achtbeinige Ross Sleipnir und zwei Seher-Raben) belegten eine samisch-schamanische Wurzel von Odins Wesen.

Er wird stets dargestellt mit nur einem Auge, bzw. mit einem rechten Auge ohne Pupille – das andere habe er geopfert als Pfand für die Gabe der Weisheit. Zudem ist Odin der Entdecker der Runen.

Odins Frau ist Frigg (ahd. Frija), ihr gemeinsamer Sohn ist Balder. Mit der Erdgöttin Jörð hat er Thor (Donar) hervorgebracht, den gewaltigen Donnergott. Dieser ist für Gedeihen und die kosmische Ordnung verantwortlich. Thor – der Gott mit dem Hammer - ist ein alter, gemeingermanischer Wetter- und Vegetationsgott. Als Sohn Odins kämpfte er gegen die Chaosmächte der Riesen und die Midgardschlange, was in mehreren Mythen erzählt und auf Steindenkmälern abgebildet wurde.

Eine Festversammlung in der Rekonstruktion der großen Halle von Tissø 9. n.Chr., Foto Archäolog. Museum Ffm.Eine Festversammlung in der Rekonstruktion der großen Halle von Tissø 9. n.Chr., Foto Archäolog. Museum Ffm.

„Seine Attribute waren der von Zwergen geschmiedete Hammer Mjölnir, wahrscheinlich eine archaische Blitzwaffe, sowie zwei Böcke, die seinen Wagen zogen. Aus Skandinavien und England sind zahlreiche Miniaturamulette in Hammerform bekannt, die überwiegend von Frauen getragen wurden. Vermutlich galten sie als Fruchtbarkeitssymbol. Den Orts- und Personennamen nach zu urteilen war Thor bei der bäuerlichen Bevölkerung der beliebteste Gott, der für gutes Wetter und allgemeines Gedeihen sorgen sollte.“

„Die schöne Freyja (altnordisch ‚Herrin‘) galt als bedeutendste Göttin der wikingerzeitlichen Mythologie. Begehrt von Göttern und Riesen repräsentierte sie Liebe und Lust. [...] Freyja fuhr in einem von Katzen gezogenen Wagen, ähnlich der orientalischen ‚Herrin der Tiere‘, die von Raubkatzen begleitet wurde. Sie trug den ‚glänzenden‘ Brustschmuck Brísingamen und ein Falkengewand.

Wikingerzeitliche Frauenfigürchen zeigen Freyja mit dem charakteristischen Gestus der antiken Liebesgöttin Aphrodite, die sich, dem Meer entstiegen, das Haar auswringt.“

In der Ausstellung befindet sich ein solches Exemplar aus der königlichen  Wikingerresidenz Tissø. Es erinnert mit schräg gestellten Augen und spitzem Mund an eine Katze. Die Brust der Freyja-Figur ziert ein prächtiges Schmuckstück, und sie ist von einem weiten, gefiederartigen  Gewand umhüllt.

Neben den männlichen und weiblichen „Hauptgöttern“ gab es in der Wikinger-Mythologie Riesen, Elfen und Zwerge. Die Götter sind miteinander verwandt, leben in einer eigenen Weltzone (Asgard) und gebärden sich wie Menschen. Sie symbolisieren aber eine kosmologische Ordnung, die sie gegen Chaos-Mächte wie Riesen und Untiere verteidigen. Am Ende der Zeit gehen sie im Endkampf Raknarök unter.

Was von der alten Wikinger-Kultur noch zu sehen ist

Es ist nicht viel geblieben nach dem Untergang der alten Wikinger-Kultur und der völligen Christianisierung. Durch die genannten Ausgrabungen weiß man nun immerhin, wie eine Königsresidenz der Wikinger ausgesehen hat, nämlich die von Tissø. Dies ist ein See im Westen der Däneninsel Seeland (Hauptort Kopenhagen). Dort sind am Rande des großen Gewässers die Spuren der wikingischen Königsresidenz und eine Rekonstruktion zu besichtigen.

„Die großen Residenz-Hallen von Tissø waren gewaltige Pfostenbauten mit gebogenen Längswänden, äußeren Stützpfeilern, und mit gewölbtem Dach – vergleichbar einem Schiff kieloben“ heißt es in der Beschreibung des Ausstellungskatalogs.  „Die lehmverkleideten Flechtwände waren innen und außen weiß gekalkt, ähnlich kontinentalen Steinbauten. Hier wurde der älteste Kalkbrennofen des wikingerzeitlichen Skandinaviens ergraben. Die Konstruktion der Hallen konnte an den Brandspuren des älteren Baus von Bulbrogård gut rekonstruiert werden. Die Tragpfosten für das Dach bestanden aus schweren, 100 Jahre alten Eichenstämmen; die Türpfosten waren geradezu überdimensioniert. Zahl und Fundamentierung der Pfosten lassen auf eine imposante Höhe der Halle schließen.“

Eine versunkene Welt wird in Frankfurt lebendig. Sie kündet von einer Zeit, als die Welt in der Balance war – als keine „Heilige Schrift“ den Menschen einen „Glauben“ vorschrieb und  ihr Denken von der Wiege bis zur Bahre nach einem Buch bestimmt wurde. Die Wikinger und die Nordländer überhaupt lebten nach einer Erfahrungsreligion, in der die Götter noch bei ihnen, bei den Menschen lebten und nicht aus dem Jenseits regierten.

Info im Netz: http://www.archaeologisches-museum.frankfurt.de/index.php/de/

Geschichte Ausstellung Skandinavien

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