09.08.2023 13:11:56
ANALYSE
Von Roland Christian Hoffmann-Plesch
Lesen Sie den ersten Teil der Analyse hier:
Syrien, Eurasien und die neue multipolare Weltordnung
Zurück zu Syrien: Warum ist gerade dieses Land so umkämpft? Warum ist Syrien sowohl für nichtislamische als auch für radikalislamische Kräfte so wichtig?
Mairead Maguire, nordirische Friedensnobelpreisträgerin (1976), hat als Leiterin einer Friedensdelegation Libanon und Syrien (1.-11. Mai 2013) auf Einladung der „Musalaha Versöhnungs-Bewegung“ besucht. Gestützt auf viele autorisierte Berichte und eigene Untersuchungen stellte sie fest, dass in Syrien kein herkömmlicher Bürgerkrieg, sondern ein Stellvertreterkrieg mit schwerwiegenden Verletzungen des internationalen Rechts und des humanitären Völkerrechts stattfindet. Dieser Krieg wird im Auftrag fremder Mächte geführt, die zur Erreichung eigener Ziele ungefähr 50.000 ausländische dschihadistische Kämpfer trainieren und finanzieren: „Diese Todesschwadronen zerstören systematisch die staatliche Infrastruktur Syriens (Elektrizitäts-, Öl-, Gas- und Wasserwerke, Hochspannungsmasten, Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Gebäude, historische Kulturstätten und sogar religiöse Gebäude). Darüber hinaus ist das Land überschwemmt mit Heckenschützen, Bombenlegern, Agitatoren, Banditen. Sie operieren mit Aggressionen und Geboten der Scharia und berauben so die syrische Bevölkerung ihrer Freiheit und Würde. Sie foltern und töten diejenigen, die sich weigern, sich ihnen anzuschließen. Sie haben eigenartige religiöse Überzeugungen, die ihnen ein gutes Gewissen selbst beim Begehen grausamster Taten, wie dem Töten und Foltern ihrer Gegner belassen. Es ist gut dokumentiert, dass viele dieser Terroristen ständig unter einem Aufputschmittel wie Captagon stehen. Das allgemeine Fehlen von Sicherheit zeitigt das schreckliche Phänomen der Entführungen für ein Lösegeld oder zum Erzeugen politischen Drucks.“ (M. Maguire, In Syrien findet ein Stellvertreterkrieg im Auftrag fremder Mächte statt, 2013, http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Syrien/maguire.html)
Der Syrienkrieg ist wahrlich kein klassischer Bürgerkrieg, sondern vielleicht ein für die Zukunft Eurasiens entscheidender Weltordnungskrieg, in dem Mächte und Kräfte kämpfen, die unterschiedliche geopolitische bzw. geostrategische und wirtschaftliche Interesse und zum Teil völlig entgegengesetzte religiöse und weltanschauliche Überzeugungen haben.
Der Krieg wird so radikal geführt, dass er bereits als totaler Krieg gelten kann. Die ausländischen Dschihadisten werden durch einige mächtige Staaten geschützt, was ihnen einen hohen Grad an Verantwortungslosigkeit gewährt, die sie ungestraft zu abscheulichen Grausamkeiten gegen unschuldige Zivilisten ermutigt. Wie Mairead Maguire zeigt, wird selbst das Kriegsrecht nicht respektiert, sodass viele Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden (M. Maguire, In Syrien findet ein Stellvertreterkrieg im Auftrag fremder Mächte statt, 2013, http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Syrien/maguire.html).
Warum sind euro-atlantische Akteure so sehr an Syrien interessiert? Wie oben erwähnt ist Syrien kein geostrategischer Akteur, der den von den USA fixierten geopolitischen Status quo verändern kann, sondern ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, ein Staat, dessen Bedeutung sich aus seiner geographischen Lage ergibt. Laut US-General Wesley Clark gab es bereits im November 2001 einen Plan für eine Fünf-Jahres-Kampagne gegen sieben islamische Länder: Irak, Libanon, Libyen, Iran, Somalia, Sudan und Syrien (M. Chossudovsky, Ein „humanitärer“ Krieg gegen Syrien?, 2011, http://www.globalresearch.ca/ein-humanit-rer-krieg-gegen-syrien/26944). Auch der französische Ex-Außenminister Roland Duma bestätigt die Information, dass der Syrienkrieg lange geplant war (http://www.globalresearch.ca/former-french-foreign-minister-roland-dumas-west-was-preparing-attack-on-syria-before-crisis-started/5341296). Es gibt mindestens vier Gründe, die für den Syrienkrieg als geostrategischem Krieg sprechen:
Erstens die geographische Lage: Syrien liegt in der „heißen“ Mitte des Greater Middle East und hat Grenzen mit Libanon, Jordanien, Israel, Türkei, Irak und auch Zugang zum Mittelmeer. Es ist somit der ideale Platz für geopolitische „Schachbewegungen“ und geostrategischen Konfrontationen. Wer Syrien kontrolliert hat eine direkte Grenze zu Israel. Wenn die Kontrolle von einer israelfeindlichen Macht ausgeübt wird, ist die Sicherheit Israels in Gefahr. Wenn im Gegenteil eine israelfreundliche Macht die Kontrolle über Syrien übernimmt, dann ist ein Teil der israelischen Grenze geschützt, Libanon wird isoliert und die Verbindung zwischen Hisbollah und Iran unterbrochen. Wenn diese Macht auch ein euro-atlantisches Nato-Mitglied ist, dann wird Syrien zusammen mit dem Nato-Land Türkei und dem Nicht-Nato-Verbündeten Jordanien einen Sicherheitsgürtel um Israel (das einzige im westlichen Sinne demokratische Land in der Region) bilden und zugleich die russisch-chinesisch-iranische Präsenz in der Region minimieren. Nur die Grenze zu Ägypten würde weiter eine Gefahr darstellen, zumindest solange in Kairo keine israelfreundliche Macht herrscht.
Zweitens die israelfeindliche Einstellung und das asymmetrische militärische Potential: Als Folge seiner geographischen Lage und der klaren antiisraelischen Orientierung seiner jetzigen Regierung gilt Syrien als gefährlich. In der Resolution des US-Repräsentantenhauses zur Verantwortung Syriens für die Wiederherstellung der Souveränität des Libanons aus dem Jahr 2003 (http://www.govtrack.us/congress/bills/108/hr1828/text) wird behauptet, dass Syrien passiv oder aktiv in Verübung von Terrorakten involviert ist, sicheren Hafen für mehrere terroristische Gruppen bietet und mit Hilfe Irans Unterstützung für Terrororganisationen leistet (Hisbollah, Hamas, Islamischer Dschihad in Palästina, Volksfront zur Befreiung Palästinas samt Hauptquartier) (Sektion 2: 1-5). Außerdem werden hier auch die ständigen Raketenangriffe erwähnt, die Hisbollah mit Hilfe Syriens und Irans auf Israel verübt (Sektion 2: 12, 14, 15), und die chemischen, biologischen und ballistischen Waffen, die einem asymmetrischen Krieg gegen Israel dienen könnten, sowie die russisch-syrische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilen und vermutlich militärischen Nukleartechnik (Sektion 2: 16-24). Nicht zuletzt wird auch die syrische Unterstützung der antiamerikanischen Rebellen, die im Irak Wiederstand leisten, betont. (Sektion 2: 30-34). Syrien soll unter anderem aufhören, sein Militärarsenal zu erweitern und antiisraelische Terrororganisationen und Rebellen, die im Irak US-Soldaten töten, zu unterstützen (Sektion 5: (d) 1, 3, 4).
Drittens die Bildung gefährlicher Allianzen: Syrien hat sehr gute Beziehungen mit drei mächtigen eurasischen Akteuren ? Russland, China, Iran ? die besondere geopolitische und geostrategische bzw. wirtschaftliche Interessen in der Region haben und somit an der Erhaltung des jetzigen status quo in Syrien interessiert sind. Russland hat im Nordwesten von Syrien, in Tartus, einen Stützpunkt, der zu einer dauerhaften russischen Marinebasis für nuklear bewaffnete Kriegsschiffe umgebaut wurde (aufgrund der Kämpfe vorübergehend geräumt). Die militärisch-technologische Kooperation mit dem Assad-Regime macht aus Syrien Russlands Brückenkopf und Bollwerk im Nahen Osten, wo Russland und seine eurasischen Geostrategen/-politiker mit Hilfe Chinas und in Absprache mit dem Iran als Ordnungsmacht aufzutreten versucht. Russland schützt Syrien, und man kann sagen, der Kreml bestimmt in diesem Moment das diplomatische Geschehen und zusammen mit der Hisbollah und dem Iran auch den militärischen Kampf um Syrien. Syrien scheint für diese eurasischen Mächte die eigentliche rote Linie zu sein. China unterstützt den syrischen Abwehrkampf nicht nur aus weltanschaulichen, wirtschaftlichen oder geostrategischen, sondern auch aus pragmatisch-innenpolitischen Gründen: China wirft den muslimischen Uiguren terroristische Verbindungen nach Syrien vor, wo sie als Mitglieder der Ostturkestanischen Muslimischen Bewegung auf der Seite der sunnitischen Fundamentalisten kämpfen. Diese Kämpfer, so die offizielle Begründung, seien eine große Gefahr für die Integrität und Sicherheit des chinesischen Staates. Über die geostrategische Bedeutung der syrisch-iranischen Allianz genügt hier nur einen Satz: Der Weg der US-Armee, der Nato und der israelischen Zva haHagana nach Iran führt durch Syrien.
Viertens die Eurasien-Strategie der USA: Wie oben erwähnt, versuchen die USA starke eurasische Regionalmächte (Einzelakteure oder Bündnisse) direkt oder indirekt zu destabilisieren, damit sie nicht genug stark werden können, um ihren Supermachtstatus zu unterminieren.
Der Syrienkrieg ist auch ein Weltanschauungskrieg, auch wenn in der westlichen Presse und den außenpolitischen Statements der euro-atlantischen Regierungen darüber nichts zu hören ist. Auch die Strategen der USCENTCOM glauben, dass die Gründe für Syriens innen- und außenpolitische Aktionen anders als im Falle Irans eher aus kurzsichtigen Berechnungen als aus einer tief verankerten Ideologie stammen (http://www.centcom.mil/syria/).
Das entspricht nicht der Realität, sondern ist ein Versuch, die Ursprünge des Konflikts zu verschleiern, Assad als machtgierigen Diktator und die pro-syrischen Kräfte als fanatische Unterstützer des Staatsterrorismus darzustellen. Dass Assad kein Demokrat ist, ist klar. Die Wirklichkeit sieht aber ein bisschen anders aus. Nach dem Untergang des Osmanischen Reiches intensivieren sich in Syrien wie auch in anderen Provinzen des besiegten Reiches panarabisch-nationalistische Bestrebungen zu Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Panarabismus, der unter anderem eine Reaktion auf den jungtürkischen Panturanismus war, gewinnt immer mehr Anhänger. Die Herausbildung politischer Identitäten in dieser Epoche erfolgte im Spannungsfeld panarabischer und territorial orientierter, syrischer bzw. libanesischer Loyalitäten sowie arabisch-islamischer Strömungen, die sich entgegen der Meinung der heutigen Salafisten einander im Einzelfall nicht unbedingt ausschließen. Zum Beispiel sah der Großmufti von Jerusalem große Ähnlichkeiten zwischen den Grundsätzen des Islams und denen des Nationalsozialismus: Bejahung des Kampfes und der Gemeinschaft, das Führerprinzip und der Ordnungsgedanke, die hohe Wertung der Arbeit. A. El-Husseini, Rede an die 13. Freiwilligen Gebirgsdivision der Waffen SS „Handschar“, Junges Forum 3, 2004: 46).
1920 beschlossen die alliierten Siegermächte des Ersten Weltkrieges mit Billigung des Völkerbundes die Neuaufteilung des besiegten Osmanischen Reichs. Frankreich erhielt bis 1943 das Mandat für Libanon und Syrien. Nach der osmanischen Erfahrung und unter dem Druck der Franzosen haben sich die syrischen Nationalisten radikalisiert und neben dem Panarabismus auch faschistische und nationalsozialistische Elemente adoptiert. Vor allem der Nationalsozialismus bot bei der Suche nach einer neuen, rein syrischen gesellschaftlichen Ordnung einen möglichen Anknüpfungspunkt (G. Nordbruch, Nazism in Syria and Lebanon, 2009). Bereits 1932 wurde die Syrische Sozial-Nationalistische Partei (SSNP) unter der Sonnenrad-Swastika-Flagge gegründet. Ihr Gründer und Führer, der christlich-orthodoxe Journalist Antun Sa’ada, war germanophil und Anhänger des Dritten Reiches. Er verstand die syrische Nation als eine fruchtbare Mischung von Kulturvölkern wie Sumerer, Kanaaniter, Phönizier, christliche und islamische Araber. Seiner nationalistisch-pansyrischen Auffassung nach gehörten das heutige Syrien, der Libanon, die türkische Provinz Hatay, die Gebiete des ehemaligen Palästina einschließlich Israel, Jordanien, Irak und Kuwait in einem Großsyrien (Bilad al-Sham) vereinigt.
Die Prinzipien der SSNP lauten: Erstens: Syrien gehört den Syrern; zweitens: Die syrische Frage ist eine eigenständige nationale Frage, die unabhängig von anderen nationalen Fragen zu lösen ist; drittens: Die syrische Frage ist die Frage der syrischen Nation und des syrischen Vaterlandes.; viertens: Die syrische Nation ist die Einheit des syrischen Volkes, die sich seit der Vorgeschichte herausgebildet hat; fünftens: Das syrische Vaterland ist das physische Milieu, in dem die syrische Nation sich entfaltet hat; sechstens: Die syrische Nation umfasst eine einheitliche Gesellschaft; siebtens: Die national-soziale Renaissance Syriens schöpft ihre Energien aus den Fähigkeiten der syrischen Nation und ihrer politischen und kulturellen Geschichte; achtens: Das Allgemeininteresse Syriens steht über jedem anderen Interesse.
Dazu kommen noch einige Reformprinzipien des syrischen Sozial-Nationalismus wie Trennung von Staat und Religion; allen Klerikern ist es untersagt, sich in die nationale Politik und nationale Rechtsprechung einzumischen; alle Schranken zwischen den verschiedenen Religionen und ihren Sekten sind aufzuheben; die Aufhebung des Feudalismus und eine nationale Organisation der Wirtschaft werden vorgegeben; dazu gehört auch der Aufbau einer starken Armee, die sich wirksam an der Schicksalsbestimmung der Nation und des Vaterlandes beteiligen kann. (B. Tibi, Vom Gottesreich zum Nationalstaat, 1991: 184f.)
1947 wird Michel Aflaq, ein römisch-katholischer Lehrer, der ebenfalls germanophile und dazu ein glühender Hitler-Anhänger war, eine zweite panarabische Partei gründen, die revolutionär-säkulare, nationalistische, sozialistische und anti-israelische Baath-Partei. Diese Partei wurde von begeisterten Anhängern in vielen islamischen Ländern gegründet: 1949: Palästina, 1951: Libanon, 1952: Irak, 1954: Jordanien, 1956: Bahrain, 1958: Südjemen, 1964: Sudan, 2011: Tunesien.
Im Geiste dieser zwei verwandten Strömungen wurden Generationen von Syrern und anderen Arabern erzogen. Im Geiste der pansyrischen, sozial-nationalistischen, baathistischen Weltanschauung wurde auch die jetzige syrische politische Elite erzogen, die den Traum vom Großsyrien auch im 21. Jahrhundert nicht aufgegeben hat (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Syrisch-baathistisches_Hegemonialstreben.png).
Die Allianzen mit anderen arabischen, europäischen oder asiatischen Kräften und Mächten erscheinen in diesem Sinne als natürlich. Die Mischung zwischen Nationalismus und Sozialismus ist eine typisch eurasische Strömung, die auch heute als Staatsdoktrin in Ländern wie Russland, China und eben Syrien gilt. Die Gegner dieser Weltanschauung sind einerseits die wahhabitisch-salafistischen Akteure wie Saudi-Arabien oder Katar, die eher religiös, als ideologisch denken, andererseits die USA (und einige Verbündete und Vasallen) und Israel, die nach den Erfahrungen mit dem Dritten Reich genau wissen, wie leicht nationalsozialistische Lösungen ganze Völker begeistern und zu wie viel politischer und militärischer Machtakkumulation diese führen können.
Auch Syriens Verbündete deuten diesen Krieg als Weltanschauungskrieg. Aus einer russisch-eurasischen Perspektive bildet der Islam keine geopolitische Einheit. Die Position Russlands gegenüber dem Islam ist sowohl religiös als auch geopolitisch begründet und erklärt seine Parteiname für Syrien. Aleksander Dugin, der russische politische Philosoph des Neo-Eurasismus, erklärt die pro-syrische, pro-schiitische und -alawitische Position Russlands, wie folgt. Einerseits gibt es den „eurasischen Islam“ im Iran, im Libanon usw., d.i. der schiitische und sozialistische Islam, der Sufismus, der syrische Alawismus, im Allgemeinen der mystisch-traditionalistische, kontemplative, vielfältige und tiefe Islam. Dieser Islam ist der Freund Russlands und der christlichen Orthodoxie. Andererseits gibt es den wahhabitisch-salafistischen Islam in Saudi-Arabien, den radikal-sunnitischen Islam in Pakistan usw., die ähnlich wie im puritanischen Calvinismus auf einer reinen Lehre beruhen. Der puritanische Islam lehne die Beschaulichkeit und die Multipolarität ab, so Dugin, und zwinge allen eine monotone, rein ritualistische, primitive Praktik auf. Er sei „atlantistisch“ und pro-amerikanisch und somit ein Feind Russlands (A. Höllwerth, Das sakrale eurasische Imperium des Aleksander Dugin, 2007: 491f.).
Die Religion spielt im Syrienkrieg eine wichtige Rolle. Er ist unter anderem ein Religionskrieg. Die Ursachen der Feindschaft zwischen den puritanischen Sunniten und den anderen Islamgläubigen liegt, wie bereits gezeigt, weit zurück und ist eine Konstante der islamischen Geschichte. Im Fall Syrien wurde diese Feindschaft vom autokratischen baathistischen Regime jahrzehntelang im Zaun gehalten. Was heute passiert ist eine relativ neue Entwicklung. Das dschihadistische Netzwerk in Syrien hat den militanten Islamismus als seine Ideologie in zwei Hauptphasen adoptiert und etabliert:
Eine vor-revolutionäre Phase, die 2003 mit dem Irakkrieg begann und stark von der Al-Qaida-Ideologie und -Rhetorik beeinflusst wurde. Syrien war ein wichtiger Durchgang für viele ausländische Kämpfer, die in Irak infiltriert wurden. Später haben libanesische Dschihadisten mit Hilfe von Abu Musab Al-Zarqawi und der Unterstützung einiger Nachbarländer die Verantwortung für die Logistik und die militärische Arbeit in Syrien übernommen. Der Dschihadist Zarqawi war der Al-Qaida-Statthalter im Irak und sunnitischer Eiferer, der seine militärischen Operationen und Enthauptungen theologisch begründete (V. Trimondi/V. Trimondi, Krieg der Religionen, 2006: 442).
Die revolutionäre Phase nach Beginn der Unruhen 2011, in der das Netzwerk der salafistischen Dschihadisten vorwiegend aus radikalen Sunniten besteht, die verschiedenen Gruppen beigetreten sind, welche nach dem Beginn der „Revolution“ gegründet wurden. Diese blutige Phase ist durch Stadtguerilla-Taktik und Terror-Techniken gekennzeichnet. (N. Benotman, The Jihadist Network in the Syrian Revolution, 2012: 1f., http://www.quilliamfoundation.org/wp/wp-content/uploads/publications/free/the-jihadist-network-in-the-syrian-revolution.pdf).
Das Ziel der religiösen Eiferer ist die Gründung eines Kalifats, am besten ohne Hilfe nichtislamischer Mächte. Aufgrund der offenen westlichen Unterstützung der Gotteskrieger in Libyen oder Syrien versuchen die Kalifat-Anhänger sich vom Westen zu distanzieren. In einer Verlautbarung von Hizb-ut-Tahrir zum Beschluss der Arabischen Liga (09.11.2011) warnen sie die Gotteskrieger: „Die vom Westen und seiner Gefolgschaft ausgestreute Behauptung, dass eine Veränderung nur mit westlicher Hilfe möglich sei, darf euch nicht hinters Licht führen. Es ist eine von ihm erfundene Lüge, die der Wahrheit keinesfalls entspricht. Durch eure Aufrichtigkeit gegenüber Allah, euren friedlichen Aufstand und die Unterstützung der freien Soldaten seid ihr in der Lage den Tyrannen zu beseitigen, das Gesetz Allahs einzuführen und das Rechtgeleitete Kalifat zu gründen. Denn ihr seid das Zentrum der Stätte des Islam, wie es der Prophet sagte: ‚Wahrlich, das Zentrum der Stätte des Islam ist Al-Sham.‘ Welch großartiges Zentrum ist es!“ (http://www.kalifat.com/).
Bilad Al-Sham ist Groß-Syrien, Levante, das Ziel der Nationalisten und zugleich der Kalifat-Anhänger. Auch die wichtigste salafistische Kraft in Syrien, der Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front, erklärt unmissverständlich die Ziele der Gotteskrieger: die Gründung eines islamischen Staats in Syrien und die Errichtung eine Kalifats in Bilad Al-Sham (N. Benotman/R. Blake, 2013: 3f., http://www.quilliamfoundation.org/wp/wp-content/uploads/publications/free/jabhat-al-nusra-a-strategic-briefing.pdf).
Es geht in diesem Religionskrieg jedoch nicht nur um Syrien, sondern auch um die schiitische Landbrücke, die den Iran mit dem überwiegend schiitischen Irak und dem von schiitennahen Alawiten geführten, säkularen Syrien und mit der schiitischen Hisbollah im Libanon verbindet. Die Zerstörung dieser Achse ist für das wahhabitische Saudi-Arabien heilige Pflicht.
Der Syrienkrieg ist schließlich auch ein Wirtschaftskrieg. Syrien ist zum Dreh- und Angelpunkt zweier Pipeline-Projekte geworden, die für den energiepolitischen Einfluss auf Europa entscheidend sind. Das erste Projekt ist der Versuch des erdgasreichen Katars, Zugang zum europäischen Markt via Saudi-Arabien und durch die zwischen der Türkei und Österreich geplante Nabucco-Pipeline zu bekommen. Das Projekt, das 2008 wegen des saudischen Vetos scheiterte, brauchte auch die Zustimmung Syriens. Eine Alternative war eine Pipeline-Route durch den Persischen Golf und den Irak, dafür brauchte man aber wieder die Zustimmung Syriens, Nachbar der Türkei. Stattdessen hat Syrien 2011 Verträge mit dem Iran geschlossen, die den Transport von iranischem Erdgas durch den Irak nach Syrien und weiter nach Europa ermöglichen. Laut iranischen Medien hat Iran im Herbst 2012 mit dem Bau von 225 km der 1500 km langen Pipeline im Wert von drei Milliarden Dollar begonnen (http://german.irib.ir/nachrichten/wirtschaft/item/217411-pipeline-f%C3%BCr-iranisches-gas-von-irak-und-syrien-nach-europa).
Das zweite Projekt ist das bisher gescheiterte Projekt Nabucco, das von der EU mit Billigung der USA geplant wurde, um die starke Stellung des Hauptlieferanten Gazprom zu verringern. Aus Mangel an Lieferanten ? Russland hat für sein Konkurrenzprojekt South-Stream mehrere große Gaslieferanten gewonnen ? wurde Nabucco nicht, wie geplant, gebaut. Außerdem wollte Iran kein Gas an Nabucco liefern, sondern, wie erwähnt, eine eigene Pipeline über den Irak nach Syrien und weiter nach Europa bauen, was zusammen mit der russischen South-Stream zum Scheitern der euro-atlantischen Pläne geführt hat. Syrien ist also ein Erdgas-Knotenpunkt, eine Niederlage des Assad-Regimes hätte demnach positive Folgen für diejenigen Länder, denen die Entscheidungsträger in Damaskus wichtige Öl- und Gasgeschäfte versaut haben. (H. Müller, Schlüssel zum Energiemarkt Europas, 2012 http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/schluessel-zum-energiemarkt-europas.html).
Das ist einer der Gründe, warum auch Katar fundamentalistische Islamisten in Syrien großzügig unterstützt und warum die ökonomischen Sanktionen gegen Syrien nicht nur von der EU und den USA, sondern auch von Mitgliedern der Arabischen Liga durchgeführt werden.
Die Sanktionen der UNO und der EU wie auch das strikte Embargo drängen Syrien an den Rand des gesellschaftlichen Zusammenbruchs. Wie Mairead Maguire schreibt, „ignoriert das Netzwerk der internationalen Medien diese Realitäten und ist versessen darauf, zu dämonisieren, zu lügen, das Land zu destabilisieren und noch mehr Gewalt und Widerspruch anzuheizen“ (M. Maguire, In Syrien findet ein Stellvertreterkrieg im Auftrag fremder Mächte statt, 2013, http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Syrien/maguire.html). Laut Syriens Vizewirtschaftsminister Kadri Jamil unterstützen China, Russland und Iran massiv die syrische Wirtschaft und die von Sanktionen schwer betroffenen Währung (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/china-iran-russland-helfen-syriens-wirtschaft-und-waehrung-a-908330.html).
Wenn Assad den Krieg gewinnen wird, werden seine Alliierten aller Wahrscheinlichkeit nach beim Wiederaufbau des Landes helfen. Im Falle einer Niederlage und eines Regimewechsels ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die USA einen „Marshall-Plan“ für Syrien vorschlagen werden, der die Übernahme der totalen Kontrolle über die syrische Industrie und Wirtschaft ermöglichen würde.
Was in Syrien passieren wird steht in den Sternen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass sowohl die „Architekten“ als auch die in Kampfhandlungen involvierten Kräfte ebenso unwissend sind, wie wir die Beobachter. Sie wissen nur das, was passieren sollte, nicht aber was tatsächlich passieren wird. Exakte Prognosen gibt es in solchen Fällen nicht. Mögliche Szenarien können nur dazu dienen, Gedankenexperimente zu konstruieren, um theoretische Erkenntnisse zu gewinnen. Mehr nicht.
Ein Szenario könnte so aussehen: „In Syrien, der Türkei, dem Irak und dem Iran kommt es zu einem Aufstand der Kurden; der Irak, der Libanon, Syrien, die Türkei und der Jemen zerfleischen sich in religiös motivierten Kriegen; Algerien, Ägypten, Libyen, Pakistan und der Sudan werden durch Instabilität und Kämpfe zermürbt; Berber und Araber bekämpfen sich gegenseitig in ganz Nordafrika; Zentralasien wird von Unsicherheit und politischer Instabilität heimgesucht; ein Krieg im Südkaukasus verzehrt Georgien, Armenien und die Republik Aserbaidschan; unter den Kaukasusvölkern kommt es im Nordkaukasus zu Aufständen gegen die Russen; der Persische Golf wird zu einer Zone der Instabilität, und die Beziehungen Russlands zur Europäischen Union und der Türkei befinden sich auf einem Tiefpunkt. (M. Nazemroaya, Israelisch-amerikanisches Drehbuch, 2012, http://www.globalresearch.ca/israelisch-amerikanisches-drehbuch-erst-die-zerschlagung-syriens-dann-die-zerschlagung-des-rests/5312994).
Dieses düstere Szenario erinnert an Trotzkis „permanente Weltrevolution“ und wäre natürlich im Sinne der Feinde des Islams und zugleich der Feinde Eurasiens der Beginn eines (vielleicht permanenten) eurasischen oder gar globalen Ausnahmezustands oder Bürgerkriegs. Aber wir wollen nicht so weit gehen, wir bleiben in Syrien. Was passiert, wenn die nationalen syrischen Kräfte den Krieg verlieren?
Dann werden die Salafisten, falls sie die stärkste Kraft unter den Siegern sind und die Westmächte ihren Segen geben, einen islamischen „Kernstaat“ (S. P. Huntington, Kampf der Kulturen, 1998: 331-334. gründen, der die Funktion von C. Schmitts „Reich“ (C. Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, 1991: 49-73) erfüllen wird, das die Idee der Großraumordnung ausstrahlt und den Plan des idealen, gottgewollten supranationalen Kalifats und einer fundamentalistischen staatstranszendierenden Großraumordnung mit Interventionsverbot für schariafeindliche und -ignorante Mächte im Levante verkündet und materialisiert. Die anderen oppositionellen Kräfte werden wahrscheinlich wenig Widerstand leisten und entweder den Raum verlassen oder sich dem Kalifat anschließen.
Und wenn die gemäßigten Kräfte obsiegen?. Dann würde ein neuer Konflikt, womöglich ein Bürgerkrieg zwischen ihnen und den Fundamentalisten, die ihren Dschihad weiter führen werden, vorprogrammiert sein. Bereits jetzt wurden Kämpfe zwischen FSA und Al-Nusra-Front gemeldet, die zu einem Krieg im Krieg führen könnten.
Im ersten Fall, der der interessanteste ist, werden Syriens Verbündete, vor allem die drei großen eurasischen Akteure Russland, China und Iran, nicht tatenlos zusehen, schließlich wird die rote Linie eindeutig überschritten. Es könnte zu einem offenen Krieg zwischen Kalifat-Anhängern und „Eurasiern“, zu einem neuen Weltordnungskrieg kommen, in dem die USA nicht wagen werden, sich einzumischen und Israel nur für einen Verteidigungskrieg bereit wäre.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Fundamentalisten ihre Angriffe trotz westlicher Unterstützung auch gegen die USA und Israel richten, was kein neues Szenario wäre ? die von USA unterstützen anti-sowjetischen islamischen Freiheitskämpfer in Afghanistan haben das gewagt. Was die US-Geostrategen von damals nicht richtig begriffen haben, war die religiöse Dimension des Kampfes. Für die Guerilla-Kämpfer war der Krieg in Afghanistan nicht nur ein nationaler Befreiungskrieg – unter ihnen befanden sich außer Afghanen auch Moslems verschiedener Rassen und Ethnien ?, sondern ein religiöser Krieg, den sie als heilig bezeichneten und mit dem islamischen Dschihad identifizierten.
Anders als die nutzenmaximierenden Amerikaner, die in diesem Krieg nur die Chance sahen, der konkurrierenden Sowjetmacht eine empfindliche Niederlage beizubringen, empfanden die Dschihadisten ihren Kampf gegen die kommunistischen Invasoren ähnlich wie den Kampf gegen jede andere islamfeindliche Macht nicht als bloße ideologische Auseinandersetzung, sondern als eine heilige Mission. Die Geschichte könnte sich trotz westlicher Unterstützung und CIA-Steuerung auch heute wiederholen, und zwar nicht nur bezüglich der USA, sondern auch Israel. Man darf nicht vergessen, dass die Demütigung und die hohen Verluste an Menschen und Material, welche die US-Armee in Irak und Afghanistan erlitten, zum größten Teil das Werk der radikal-sunnitischen oder einfach islamistischen Gotteskrieger sind. Im Geiste der Mudschahidin, die früher das sowjetische „Reich des Bösen“ besiegt haben, wollten diese Dschihadisten auch den Kampf gegen den „großen Satan“ USA gewinnen.
Assad gewinnt in diesem Moment die Oberhand, dank der logistischen Unterstützung verbündeter Mächte und der Kampffähigkeiten der Hisbollah und der iranischen und russischen Freiwilligen, die auf seiner Seite kämpfen. Wenn die Lage sich stabilisiert und die syrische Armee immer mehr Terrain gewinnt, werden die Dschihadisten immer weniger Freiraum haben. Dann werden die USA aller Wahrscheinlichkeit nach einen militärischen Einsatz erwägen, um den „Rebellen“ mehr Handlungsraum zu verschaffen. Was passiert aber, wenn Assad und die pro-syrischen Kräfte das Land schneller in den Griff bekommen und sogar den Krieg gewinnen?
Erstens wird Assad als Verteidiger des syrischen Volkes mit all seinen Ethnien und Konfessionen gefeiert und seine Position an Legitimation gewinnen, denn Souverän ist der, der über Ausnahmezustand entscheidet (C. Schmitt, Politische Theologie, 1996: 14). Er wird also nach diesem Krieg stärker sein als je zuvor. Die schiitische, sozial-nationalistische Landesbrücke würde mehr Kontur gewinnen, vielleicht als eine klassische Allianz, als Bündnis oder mit russischer und chinesischer Unterstützung gar als Großraumordnung mit Interventionsverbot für bestimmte raumfremde Mächte.
Nicht ausgeschlossen ist auch eine auf Freiwilligkeit und völkerrechtlicher, ethnischer und religiöser Gleichheit beruhende „großsyrische“ oder levantinische Alternative, eine über den Staat hinausgehende Großraumordnung (wie die EU), die zusammen mit Israel und ohne die „Mediation“ raumfremder Mächte eine friedliche, möglichst gerechte Lösung für das Palästina-Problem zu suchen versucht. Das wäre ein Beweis dafür, dass die erfolgreiche Verteidigung eines Raumes gegen als unschlagbar erscheinende raumfremde Mächte möglich ist. Das könnte der Anfang vom Ende des von den USA initiierten Balkanisierungsprozesses im Nahen Osten sein. Das könnte auch das Ende der subtilen, geheimdienstlichen Steuerung des Dschihadismus, den einige euro-atlantische Akteure zur Kriegshetze missbrauchen und so unschuldige Nichtfundamentalisten sowie auch gut gemeinte, rechtgläubige Gotteskämpfer in den sicheren Tod schicken.
Man vergisst aber, dass die syrische Tragödie Teil des Schicksals Eurasiens als „Schauplatz des global play“ (Z. Brzezinski, Die einzige Weltmacht, 1997: 54) ist, d.h. auch des Schicksals der Gegner Syriens. Man nimmt auch nicht wahr, dass die Welt auf Dauer keine politische, geschweige denn eine religiöse Einheit oder Zweiheit sein kann. Sie wird immer, d.h. auch in scheinbar unipolar-imperialen Zeiten, eine in Großräumen organisierte politische und religiöse Vielheit. bleiben. Nach dem amerikanischen unipolaren Moment ist die „Pluralität von Großräumen“ (C. Schmitt, Staat, Großraum, Nomos, 1995: 499) bereits Realität.
Großmächte, die ihre Träume von Welthegemonie zu verwirklichen versuchen und daran scheitern sind ein Beweis dafür, dass die Dialektik aller menschlichen Macht nicht grenzenlos ist, sondern unfreiwillig die Kräfte fordert, die ihr eines Tages, die Grenze setzen werden. Vielleicht sind diese Kräfte die Dschihadisten und das scheiternde Empire die USA.
Vielleicht wären diese Kräfte ohne den negativen Einfluss nichtislamischer Kräfte in ihrem Bestreben, ein Kalifat zu errichten, erfolgreicher. Schließlich gibt es auch im Rahmen des islamischen Rechts Toleranz und Flexibilität: zwischen den Kategorien „Pflicht“ und „Verbot“ gibt es in der Scharia auch Kategorien wie „empfehlenswert“, „indifferent“ und „tadelnswert“ (aber nicht strafbar) (A. Noth, Die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam, in: W. Fikentscher/H. Franke/O. Köhler, Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, 1980: 430). Auch den Dschihad darf man nicht nur als einen physischen, militärischen Kampf deuten, ? zumindest solange keine islamfeindliche Macht ein islamisches Land angreift ?, sondern auch als eine geistig-metaphysische Anstrengung, als eine permanente Auseinandersetzung des Gläubigen mit dem Bösen in sich und in der Welt. Rein rechtstheologisch waren die Kriege in Irak und Afghanistan Aggressionen gegen den Islam und ein „dschihadistischer Bündnisfall“. Den Syrienkrieg kann man aber mittlerweile als Verteidigungskrieg gegen fremde Mächte interpretieren.
Eine nichtimperialistische Großraumordnung, die sowohl in ihrem Inneren als auch in ihren Außenbeziehungen auf Prinzipien der Freiwilligkeit und Nichtintervention beruht, könnte die friedliche, goldene Mitte zwischen kriegerischer Staatenanarchie und autoritärem „Global Empire“ sein. In einem aus solchen Großraumordnungen zusammengesetzten Eurasien würde es genug Platz sowohl für säkulare als auch für religiöse Ordnungen geben, d.h. auch für ein Kalifat.
Eine gezwungene überkonfessionelle Einheit, eine künstliche synkretistische Ersatzreligion oder die Vorherrschaft einer einzigen Religion in Eurasien, wo alle großen Religionen der Geschichte ihre Anfänge haben, sind jedoch nicht nur utopische, sondern auch gefährliche Vorstellungen. Ein eurasisches Imperium wird eine multireligiöse, plurikulturelle und multirassische Einheit sein oder überhaupt nicht sein (F. Liepe, Jenseits des Nationalismus, in: Junges Forum 8, 2008: 22). Wäre diese eurasische Einheit in Vielfalt real, wäre das hegemoniale Projekt eines amerikanischen Jahrhunderts, das die Ideologen des US-Empires in ihren Think Tanks am Reißbrett entworfen haben, nur ein chiliastisch-säkularer Traum von der Einheit der Welt unter amerikanischer Führung geblieben.
Syrien, Eurasien und die neue multipolare Weltordnung - eine Studie zum Kampf um die künftige Weltordnung |
1. Geostrategie und Geopolitik für ein neues amerikanisches Jahrhundert 1.1. Schachbrett Eurasien 1.2. Scheinmultilateralismus 1.3. Greater Middle East und Syrien 2. Ende der unipolaren Weltordnung 2.1. USA – von wollwollender Welthegemonie zur imperialen Weltordnugskampf 2.2. Multipolarität und Großraumordnung 3. Zwischen puritanisch-dschihadistischer Weltrevolution und panarabisch-nationalistischer Großraumordnung 3.1. Islamische Rechtstheologie 3.2. Sunniten vs. Schiiten 3.3. Politreligion, Sektarismus und die Wirkung der Scharia. Der Fall Syrien 3.4. Nationalstaat oder supranationales Kalifat? 4. Syrienkrieg als Weltordnungskrieg 4.1. Geostrategischer Krieg 4.2. Weltanschauungskrieg 4.3. Religionskrieg 4.4. Wirtschaftskrieg 5. Syrien und die Zukunft Eurasiens. Zwei Modellszenarien 5.1. Permanente Weltrevolution und eurasischer Bürgerkrieg 5.2. Eurasische Großraumordnungen mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte |
Lesen Sie den ersten Teil der Analyse hier:
Syrien, Eurasien und die neue multipolare Weltordnung
Außenpolitik Syrien Islamischer Staat (IS)
09.08.2023 13:11:56
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